Von Nine Elms nach Pimlico
Manuel Pestalozzi
27. November 2015
Bilder: Bystrup Architecture, Design and Engineering
Es gibt Projekte, die schliesst man sofort ins Herz, auch wenn man nicht weiss, ob sie in realisiertem Zustand den Erwartungen standhalten. Diese Brücke sehnt sich der Redaktor jedenfalls förmlich herbei.
Zugegeben, es liegt vermutlich an der Visualisierung, die sich ganz offensichtlich an den Tableaus eines William Turner orientiert. Im Dunst die vier Kamine der Battersea Power Station von Giles Gilbert Scott, kein Bus, kein Schiff, kein Goodyear Blimp oder eine Leuchtreklame weit und breit. So wird es vermutlich nie sein, aber träumen darf man immer.
Der Entwurf für diese Fussgänger- und Fahrradbrücke über die Themse stammt von Bystrup Architecture Design and Engineering, Robin Snell & Partners, Sven Ole Hansen ApS und Aarsleff and ÅF Lighting. Das dänisch-britische Team hat den Wettbewerb für die Nine Elms Bridge gewonnen, welche das gleichnamige Quartier etwas oberhalb des Zentrums von London mit dem gegenüberliegenden Stadtteil Pimlico verbinden soll.
Die Konstruktion ist in ihrer Schlichtheit und Eleganz wirklich bestechend. An den beiden Masten, die wie Minarette in den Himmel ragen, hängt nicht nur der Steg über den Fluss, ihre Kabel halten auch die Rampen in Position, welche als Spiralen um sie herum angelegt sind. Schönheit ergibt sich hier durch die Sparsamkeit der Mittel. Es ist wie beim Riesenrad in Wien: Sofort begreift man, weshalb eine so schlanke Struktur hält.
Freude macht auch die Wegführung. Sie zwingt jene, die sie benutzen wollen, sich Zeit zu nehmen. Wer in Eile ist, wählt mit Vorzug eine andere Brücke. Jene, die genügend Musse haben, werden mit zwei Rundgängen belohnt und der Gewissheit, anschliessend wirklich den Überblick zu haben. Wie der genau sein könnte, ist aber noch nicht klar, denn erstens muss das Parlament des Stadtteils noch über das Projekt befinden – und auch der genaue Standort ist noch nicht völlig klar. Was die zweite Unsicherheit anbetrifft, so darf man zuversichtlich sein, dass der Entwurf überall ein Gewinn bedeuten dürfte. Denn eigentlich handelt es sich um eine universell einsetzbare Idee, die sich gerade durch ihren minimalistischen Charakter immer gut eingliedern kann – der «Luxus» ist der Raum, der von den Spiralen benötigt wird und die Masten freispielt.