Vier Säulen hat mein Haus – oder nur zwei?

Susanna Koeberle
4. Oktober 2017
Ausstellungsansicht «Phantom Theorie», 2017. Bild: Martin Stollenwerk

Geschichte, Gegenwart, Theorie und Praxis. Diese vier als zwei Gegensatzpaare angelegte Themen bilden die Grundpfeiler des 1967 gegründeten Instituts für Geschichte und Theorie der Architektur, kurz gta. Innerhalb der Architekturabteilung der ETH habe das Institut seit Beginn eine Sonderrolle eingenommen, erklärte letzte Woche Laurent Stalder, Professor für Architekturgeschichte und Leiter des Instituts. Sein 50 Jahre-Jubiläum feiert das renommierte Institut mit einem breit angelegten Sonderprogramm, das letzte Woche mit grossem Traritrara eröffnet wurde. Zurecht, zumal das Institut neben seiner Forschungstätigkeit auch ein Archiv, einen Verlag sowie ein Ausstellungsprogramm umfasst. Und obendrein auch Ausbildungsstätte ist. Architektur soll hier in seiner ganzen Bandbreite diskutiert und präsentiert werden. Das gta sei aber nichts Abstraktes, sondern gleiche einem Wesen, erklärte Philip Ursprung, Professor für Kunst- und Architekturgeschichte sowie Vorsteher des Departements Architektur der ETH, anlässlich der Medienführung durch die Jubiläumsausstellung. Ein Wesen, das mit seinen 50 Jahren in einer Midlife-Crisis sein könnte (als Zuhörerin mit Jahrgang 1967 will ich das überhört haben) und sich deswegen frage, woher es komme und wohin es gehe. Das sind Fragen, die man sich hoffentlich nicht erst mit 50 stellt, aber na ja.

Fest steht, dass das Institut diesen runden und durchaus repräsentativen Geburtstag zum Anlass genommen hat, eine Art Kartographie vorzunehmen, welche dieses Wesen namens gta charakterisieren soll. Die Tätigkeit des Instituts sollte auf den Tisch gelegt werden, wie Ursprung meinte – und es tut dies mit der Ausstellung «Phantom Theorie» auch im wörtlichen Sinn. Verspiegelte Vitrinen-Tische (Achtung: Selbstreflexion angesagt) mit ausgesuchten, thematisch geordneten Dokumenten bilden das Herzstück der Ausstellung. Dabei soll, wie der Name der Schau insinuiert, die Rolle der Theorie durchaus von einer legeren Seite angegangen werden. Diese soll nicht als abgeschlossenes, starres System daherkommen. Ein Phantom ist ja quasi ungreifbar, im Extremfall gar ein Trugbild (was in diesem Fall etwas weit gehen würde). Der Ausstellung gelingt es, dieses Wesen dennoch greifbar zu machen, indem sie die vielen Zweige (oder Arme um bei der Wesen-Metapher zu  bleiben) des gta aufzeigt und dabei eine Fülle an Material zur Schau stellt. Die unterschiedlichen Diskurse werden teilweise bis heute lebendig weitergeführt (wie etwa die Semper-Forschung) oder werden nun als historische «Relikte» einem breiteren, interessierten Publikum präsentiert. So gesehen ist die Ausstellung auch als Ideengeschichte zu lesen und vermittelt anschaulich die unterschiedlichen Phasen des Architekturgeschichte-Diskurses am Haus. Das ist durchaus spannend und verleitet zum Verweilen: schauend, lesend, sich vertiefend. Eine Ausstellung, die man gerne auch zwei Mal besucht, denn es gibt einiges zu entdecken.

Das Opening Programme (es wird hier Wert auf ein internationales Auftreten gelegt) umfasste nebst der Ausstellungseröffnung ein dichtes zweitägiges Programm mit Vorlesungen, einer Debatte (es diskutierten Peter Eisenman, Kurt W. Forster und Jacques Herzog, wobei Letzterer – wie uns zu Ohren kam – keinen Stich gegen seine angelsächsischen Kollegen hatte) und einem ganzen Tag Round-Tables unter dem Motto «Perspectives». So sehr man um eine gewisse Strahlkraft bemüht war: Gerade die gut besetzten Tafelrunden am Freitag wurden zum Insider-Treffen, der Teilnehmern aus ausserakademischen Kreisen (notabene postakademischen) keine Chance liessen zu verstehen (schon rein akustisch), worum es «eigentlich» ging und was der Clou an der ganzen Diskussion war. Das Thema Praxis etwa hatte (wie übrigens auch Peter Eisenman bemerkte) mit der Praxis des Architekten nichts oder wenig zu tun. Theorie ist wichtig, Geschichte ebenso, aber das gta-Wesen geriet am Freitag vor lauter Kopf etwas aus der Balance. Als Zuhörerin nutzte man die Beine, um davonzulaufen.

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