Urbane Bodenbeschaffenheiten
Manuel Pestalozzi
7. Februar 2017
Auch in Stettbach können sich Gemüter ob des ziemlichen Belags erhitzen. Tatort Umsteigestelle, in Zürich-Schwamendingen, hart am politischen Stadt-Land-Graben. Foto: Manuel Pestalozzi
Wie soll ein urbaner Boden sein? Glatt, holprig, grün oder gar sumpfig? Offenbar gehen die Meinungen weit auseinander. Und mitunter wird leidenschaftlich gestritten.
Zugegeben, manchmal kann man ein Schmunzeln nicht verkneifen, wenn sich Naturfreundinnen und -freunde mit heiligem Eifer in die anwaltschaftliche Schlacht für die innerstädtische Fauna und Flora werfen. Doch auch sie sind Menschen mit Anliegen, die nicht nur berechtigt, sondern oft sogar wissenschaftlich fundiert sind! In einem Artikel im Bund ärgert und sorgt sich Umweltberater Andreas Diethelm über die mangelnde Sensibilität in diesem Bereich.
Sein Plädoyer verlangt nicht weniger als die «artgerechte Haltung für Stadtmenschen». Er sieht diese durch die angesagte Verdichtung gefährdet. Letztere bedinge nämlich nicht, dass jeder Quadratzentimeter Boden normiert und versiegelt werde. Das Gefühl, diese Gefahr bestehe, beschlich Diethelm anlässlich des Berichts zu einem Journalistenrundgang zur Umsteigestation Stettbach mit dem «letztes Jahr abgetretenen Chef des Zürcher Amts für Städtebau» (der im Artikel nicht namentlich erwähnt wird). Der Mann habe am Rande Schwamendingens wie folgt gewettert: «Da will man einen urbanen Ort schaffen, schmückt ihn aber mit Schottersteinen und Gräsern. Zudem hat man den Bach offengelegt. Das ist ein Beispiel dafür, wie die Politik Einfluss nimmt».
So kann nur ein Architekt jammern! Dies scheint der Autor anscheinend zu denken. Dabei sei es doch Pflicht, sich mit der «Architektur der Wärmeinsel Stadt zu befassen». Diese Wärmeinsel werde durch die «Totalversiegelung bis in die letzte Ritze» aus Effizienz- und Facility Management-Gründen geschaffen. Die Kritik ist insofern berechtigt, als die Mobilität tatsächlich möglichst glatte, saubere und fugenarme Oberflächen verlangt. Allerdings muss man dabei nicht nur an den «bösen motorisierten Inividualverkehr», sondern auch an Rollstühle oder Kinderwagen denken. Und steht es wirklich so schlimm um die begrünten Sickerflächen? Man hat Zweifel. Wie dem auch sei, der «arrogante Architekt» taugt in diesem Fall als Sündenbock wirklich schlecht. Zwar ist es seine Aufgabe, eine stimmige, sinnvolle und ästhetisch befriedigende Ordnung zu schaffen, aber dass architekontische Massnamen auf Bodenniveau im Widerspruch zur «freien», «gesunden» Natur stehen, scheint mir doch eher selten vorzukommen und den gezeigten Alarmismus schlecht zu rechtfertigen.