Stabübergabe
Andreas Ruby baute das Schweizerische Architekturmuseum zu einer Diskursplattform auf. Er wollte der Anwalt der Schweizer Architekturszene sein und steigerte die Besucherzahlen um 33 Prozent. Doch nach zehn Jahren gibt er sein Direktorenamt auf.
Andreas Rubys erste Ausstellung im S AM, dem Schweizerischen Architekturmuseum, war ein Schlüsselmoment: Mit »Schweizweit« stellte er die Weichen für seine Amtszeit als Direktor. Der Kunsthistoriker und Verleger wollte zum Fürsprecher der Schweizer Architekturszene werden, aufstrebenden Büros Sichtbarkeit verschaffen und sie landesweit vernetzen. Das glückte ihm: Über 170 Architektinnen und Architekten strömten zur Vernissage seiner Premierenausstellung, und der Katalog steht heute in den meisten Schweizer Büro-Bibliotheken. Die erfolgreiche Schau brachte das Museumsteam und den BSA, den Bund Schweizer Architektinnen und Architekten, auf die Idee, gemeinsam ein Architekturjahrbuch herauszugeben, das alle zwei Jahre erscheinen soll. Denn die Schweizer Architektur sei – trotz ihrer »überdurchschnittlich hohen Qualitätsdichte« – noch zu wenig bekannt, schreibt Ruby in seinem Vorwort zum ersten Band. Doch bei allem Engagement für einheimische Architektinnen und Architekten öffnete er das S AM auch international. Viele der 26 Ausstellungen, die er mit seinem Team entwickelte, blickten wissbegierig ins Ausland: Was lehren uns die Umbauten junger Architektinnen und Architekten aus Japan? Inwiefern taugt Brüssels Architekturkultur zum Vorbild? Was können wir uns vom Wettbewerbswesen in der belgischen Hauptstadt abschauen?
Angetreten war Andreas Ruby mit dem Anspruch, auch interessierte Laien ins S AM zu locken. »Architekturausstellungen werden oft vorwiegend für Eingeweihte gemacht«, sagte er bei seiner Amtsübernahme. »Das würde ich gerne überwinden durch leichter zugängliche Darstellungsformen, die ihren Gegenstand sinnlich und vielschichtig vermitteln. Ich bin an einer Kunst der Ausstellung interessiert, die keine Angst hat vor dem Populären, dem Spielerischen und dem Humor.« Tatsächlich gefielen einige seiner Ausstellungen mit einer fantasievollen und sehr räumlichen Gestaltung – etwa die Schau »Beton«. »Durch sein leidenschaftliches Eintreten für die Baukunst hat Andreas Ruby das S AM nachhaltig für ein breites Publikum geöffnet«, lobt Stiftungsratspräsident Meinrad Morger. Seit Andreas Ruby 2016 S AM-Direktor wurde, stiegen die Besucherzahlen um ein Drittel; ein großer Erfolg, zumal das Museum mit den negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie fertigwerden musste und 2018 vom Bundesamt für Kultur die Unterstützung gestrichen bekam – eine Entscheidung, die erst fünf Jahre später rückgängig gemacht wurde. Doch glücklicherweise gelang es dem S AM-Team unter Rubys Leitung, den Kanton Basel-Stadt sowie private Stiftungen und Gönner für ein größeres Engagement zu gewinnen.
Zum Jahresende aber ist nun Schluss: »Ich habe eine großartige Zeit am S AM verbracht und konnte zusammen mit meinem fantastischen Team schöne und neuartige Ausstellungen realisieren und viele sinnvolle strukturelle Entwicklungen auf den Weg bringen«, wird der Noch-Direktor in einer Medienmitteilung des S AM zitiert. »Das Museum ist gut aufgestellt, und es ist daher ein guter Zeitpunkt, um den Stab in andere Hände zu übergeben und eine neue berufliche Aufgabe anzunehmen.« Andreas Ruby verlässt sein Amt auf eigenen Wunsch. Wie seine Zukunftsziele genau aussehen, behält er noch für sich. Bis Ende des Jahres möchte er seine ganze Energie in die Museumsarbeit stecken und mit seinem Team eine würdige Abschlussausstellung über genossenschaftliches Wohnen erarbeiten.
Andreas Ruby ist es gelungen, das S AM mit sehenswerten, immer wieder auch politischen Ausstellungen und unzähligen Veranstaltungen zu einer wichtigen Diskursplattform zu machen. Und auch die Vernetzung des Museums mit den Hochschulen trieb er erfolgreich voran: Inzwischen kann das S AM auf eine wertvolle Sammlungskooperation mit der ETH Zürich, der EPFL in der Westschweiz sowie der USI im Tessin zählen. Der Stiftungsrat beginnt in Kürze mit der Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger.