Peinliches Mitglied
Juho Nyberg
25. Juli 2019
Ist Boris Johnson ein verdienter Förderer der britischen Architektur? (Foto: Kuhlmann /MSC via Wikimedia Commons)
Auch in Architektenkreisen ist der frischgebackene britische Premierminister Boris Johnson nicht unumstritten. Ein junges Mitglied des Royal Institute of British Architecture (RIBA) hat ein Ausschlussbegehren gegen ihn eingereicht.
Boris Johnson ist diese Woche zum neuen Premierminister Grossbritanniens gewählt worden. Für viele ging damit wohl eher eine Befürchtung denn ein Wunsch in Erfüllung. Der energische Brexit-Befürworter und Faktenrelativierer wird die Aussenpolitik in der kommenden Zeit wohl gehörig aufmischen. Ob all der Fixierung auf die ungewisse Zukunft unter der Führung des neuen Premiers gerät seine bisherige politische Karriere beinahe aus dem Blickfeld. Johnson war acht Jahre lang Bürgermeister Londons und hat in der britischen Kapitale seine Spuren hinterlassen. Noch im Wahlkampf 2008 versprach er, kein «Dubai an der Themse» entstehen zu lassen. Doch vergass er dies rasch und alsbald nahm die Entwicklung der Stadt ein rasantes Tempo auf. London wuchs mit Höchstgeschwindigkeit gen Himmel. Im Mai 2014 wunderte sich die NZZ über «Londons ungezügelten Drang in die Höhe». Dazumal befanden sich nicht weniger als 200 (!) Hochhäuser im Bau. Als amtierender Bürgermeister besass Johnson ein Vetorecht, um Projekte zu stoppen. Doch entgegen aller Versprechen erwies er sich eher als Förderer der Entwicklung denn als Kritiker oder gar Widerstandskämpfer: Die NZZ berichtete in genanntem Artikel, Johnson habe «bisher jedes Bauprojekt bewilligt». Manchen erschien da seine Ernennung zum Ehrenmitglied des Royal Institute of British Architects (RIBA) nur konsequent. Diese Ehre wird all jenen zuteil, die einen «besonderen Beitrag» zur britischen Architektur geleistet haben. Und sei es offenbar nur als willfähriger Helfer für unkontrollierten Städtebau.
Doch nun hat Simeon Shtebunaev, studentisches Mitglied des RIBA, den Antrag gestellt, Boris Johnson die Ehrenmitgliedschaft abzuerkennen. Begründet hat Shtebunaev seinen Vorstoss damit, dass zu befürchten sei, Johnson würde sich nicht entsprechend den Standesregeln (code of conduct) des RIBA verhalten. Erstaunlich war die – vielleicht auch nur britisch nüchterne – Antwort: Der RIBA liess verlauten, Ehrenmitglieder seien nicht an die Standesregeln gebunden.