Nachruf für Ingo Maurer
Katinka Corts, Elias Baumgarten
23. Oktober 2019
Ingo Maurer (Foto: Tom Vack)
Ingo Maurer gilt als Autodidakt in Sachen Produktdesign. International wurde ihm für seine Leuchten und Lichtinstallationen grosse Wertschätzung zuteil, und er erhielt zahlreiche Auszeichnungen. Anfangs dieser Woche verstarb er im Alter von 87 Jahren.
«Zuerst entsteht in meinem Kopf die Idee von einem Objekt – wie ein Traumgebilde. Erst im nächsten Schritt suche ich gemeinsam mit meinem Team nach Wegen für die Realisierung. Manchmal dauert es Jahrzehnte, bis die technischen Entwicklungen unsere Vorstellung möglich machen.»
Heute finden sich seine Arbeiten in den Sammlungen der wichtigsten Museen der Welt – zum Beispiel in jener des Museum of Modern Art (MoMA) in New York. Und 2002 entwickelte das Vitra Design Museum die grosse Wanderausstellung «Ingo Maurer: Light – Reaching for the Moon», die erfolgreich durch Europa und Japan tourte. Dabei deutete zunächst wenig darauf hin, dass Ingo Maurer mit Leuchten und Lichtobjekten berühmt werden würde: Auf der Insel Reichenau am Bodensee aufgewachsen, absolvierte er zunächst eine Lehre als Schriftsetzer in Konstanz. Anschliessend studierte er Grafikdesign und Gebrauchsgrafik in München. 1960 wanderte er in die Vereinigten Staaten aus, wo er für drei Jahre als freier Grafiker arbeitete. Doch 1966 gründete er seine Firma Design M, um Leuchten zu entwickeln und zu produzieren – der Startpunkt einer überaus erfolgreichen Karriere. Maurer trat von Beginn an gleichzeitig als Designer und Produzent auf, um seine Visionen kompromisslos umsetzten zu können. Seine famosen Gestaltungen gelten heute als wegweisend – so zum Beispiel sein Erstlingswerk «Bulb» (1966), das Niedervolt-Halogen-System «YaYaHo» (1984), die geflügelte Glühbirne «Lucellino» (1992) oder die Pendelleuchte «Zettel’z» (1997).
Mit Anfang der 1990er-Jahre begann Maurer sich intensiv auch mit Lichtinstallationen auseinanderzusetzen. So entwickelte er die kuppelförmigen Lichtobjekte an der Münchner U-Bahn-Station Westfriedhof (1998), die Lichtinstallation im Inneren des Atomiums in Brüssel (2006) oder das Beleuchtungskonzept des U-Bahnhofs Münchner Freiheit (2009). Auch in die Modebranche wagte er sich vor: 1999 gestaltete er eine Installation für eine Modenschau von Issey Miyake. Im Laufe seines Lebens wurde Maurer mit zahlreichen wichtigen Auszeichnungen geehrt, darunter der Designpreis der Bundesrepublik Deutschland (2010) und der Compasso d'Oro (2011) für sein Lebenswerk. 2006 wurde ihm die Ehrendoktorwürde des Londoner Royal College of Art verliehen.
Ingo Maurer gestaltete Lichtinstallationen für mehrere Münchner U-Bahnhöfe. Das Bild zeigt die Station Westfriedhof (Foto: Martin Falbisoner via Wikimedia Commons)
Gemeinsam mit seinen langjährigen Mitarbeiter*innen entwickelte Maurer in der Designerei in München-Schwabing ikonenhafte Leuchten an der Schnittstelle zwischen Gebrauchs- und Kunstobjekt. Das Team versuchte stets, Objekte zu gestalten, welche die Leichtigkeit einer spontanen Skizze haben sollten und die Menschen berühren; deren Freude an seinen Arbeiten mache ihn glücklich, sagte Maurer einmal. Häufig wurden die Nutzer*innen gleich beim Aufbau der Leuchten einbezogen und wie bei «Zettel’z» dazu eingeladen, diese mit zu gestalten. Heute werden alle von Maurers Leuchten in München gefertigt.
Japan, Brasilien, die Vereinigten Staaten – Ingo Maurer reist zeitlebens viel. 40 Jahre lang lebte er in New York, zu der pulsierenden Metropole hatte er seit den 1960er-Jahren ein ganz besonderes Verhältnis aufgebaut. Auf die Frage, wo er sich daheim fühle, antwortete er jedoch: «Zuhause ist ein Ort, an dem ich mich wohlfühle und der mich inspiriert. [...] Zuhause bin ich, wenn ich bei guten Freunden bin.» Schön ist aus diesem Zitat seine menschenfreundliche, gesellige Haltung ersichtlich.
Wer Maurers Arbeiten nochmals genauer studieren möchte, dem sei eine Reise nach München empfohlen: Aktuell wird in der Pinakothek der Moderne eine Ausstellung vorbereitet, die ab November dieses Jahres Einblicke in Maurers Werk gibt.
«Design, bei dem man den Menschen dahinter nicht mehr spürt, ödet mich an. [...] Wichtig ist mir das Leichte – und die Vergänglichkeit. Ein Ding soll nicht dastehen wie ein Betonklotz, wie ein Monument für die Ewigkeit. Erfolgreich sind wir, wenn wir ein Gefühl in den Menschen auslösen. Auf der Messe passiert es oft, dass die Leute mit finsteren Gesichtern durch die Gänge schleichen, dann zu uns reinkommen, herumgucken und anfangen zu lächeln. Diese Freude in den Gesichtern, das ist es, was mich glücklich macht.»