Memphis in Venedig
Jenny Keller
26. September 2018
«Carlton» von Ettore Sottsass für Memphis, 1981. Bild: jk
Der Kontrast könnte nicht grösser sein: Die Kulisse für die ikonischen Möbel des Designkollektivs Memphis – formal frei und mit buntem Laminat überzogen – ist ein opulenter Palazzo in Venedig aus dem 16. Jahrhundert. Die Ausstellung «Memphis – Plastic Field» ist nicht nur wegen dieses Kultur-Clashs eine Reise wert.
An einem Dezembertag im Jahre 1980 soll sich eine Gruppe von jungen Künstlern und Designern im Wohnzimmer von Ettore Sottsass getroffen haben, um bei Weisswein und der Musik von Bob Dylans Doppelalbum «Blonde on Blonde» (das Stück «Stuck inside of Mobile with the Memphis Blues again» soll auf Repeat gelaufen sein) Memphis zu gründen. Der Name des Designkollektivs (wie man es heute nennen würde) ist vielschichtig und mystisch, Memphis ist die Hauptstadt ägyptischer Pharaonen und in den USA der Geburtsort von Aretha Franklin und Elvis.
Mit Memphis wollte eine lose Gruppe von Designern aus der ganzen Welt das Design, und als postmoderne Bewegung, die Gesellschaft als solche, verändern. Ettore Sottsass war der Gründervater, Dienstälteste und der wichtigste Protagonist der Gruppe. Dem Funktionalismus der Moderne wurde unter seiner Ägide mit viel Farbe, formaler Ausgelassenheit und einem Augenzwinkern entgegengetreten. Material und Technik waren sekundär. Für die Designwelt stellte Memphis eine Provokation dar, vergleichbar mit dem ersten Gig der Sex Pistols für die Musikwelt. Um noch eine Parallele zur Musik zu ziehen: Auch David Bowie war Memphis-Fan und hatte seine eigene Sammlung.
Mit einer Kollektion am Salone del Mobile 1981 in Mailand stellte die Gruppe ihre erste Kollektion aus, ihre heute bekannten Möbel, in leuchtenden farben und mit Laminat mit dem bekannten Bacteria-Muster bezogen. Die Aufmerksamkeit renommierter Designzeitschriften wie Domus war Memphis danach gesichert, obwohl nur ein einziger Stuhl je in Serienproduktion gehen sollte, der First Chair von Michele de Lucchi. «It was a brilliant Idea and a terrible chair», sagt Peter Shire, selbst Memphis-Mitglied, über den Entwurf im informativen Kurzfilm, den man im Rahmen der Ausstellung «Memphis – Plastic Field» im Palazzo Franchetti in Venedig sehen kann.
«Tahiti» von Ettore Sottsass, 1981. Bild: jk
Die Ausstellung lässt keinen Entwurf aus und beginnt mit dem Regal «Carlton» und der Leuchte «Tahiti» von Etttpre Sottsass, gefolgt vom Tatami-Boxring «Ring» von Masanori Umeda, der als Fotokulisse für das ikonische Memphis-Gruppenfoto von 1981 mit Aldo Cibic, Andrea Branzi, Michele De Lucchi, Marco Zanini, Nathalie Du Pasquier, George J. Sowden, Martine Bedin, Mattheo Thun und Ettore Sottsass verwendet wurde. Die Berengo-Stiftung, die die Ausstellung ausrichtet, hat sich die Wiederbelebung der Murano-Glas-Entwürfe auf die Fahnen geschrieben. Deshalb finden sich in der umfassenden und sehenswerten Venedig-Ausstellung zahlreiche Glasarbeiten von Sottsass, aber auch Keramiken, Silberwaren, Teppiche, Stoffdesigns und Leuchten der Memphis-Gruppe.
Memphis – Plastic Field
bis 25. November
Palazzi Franchetti
2847 San Marco
Venedig
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