Kloten als Knoten, oder: Big from Japan

Ulf Meyer
30. November 2020
Foto © Flughafen Zürich AG

Das «The Circle» genannte Gebäude am Flughafen Zürich ist das grösste und teuerste der Schweiz, es hat mehr als eine Milliarde Franken gekostet. Ausgerechnet seine Fertigstellung fällt nun mit einer schweren Krise der zivilen Luftfahrt zusammen. Denn während aktuell die Pandemie zu Einschränkungen im Flugverkehr führt, könnte künftig das wachsende Umweltbewusstsein die Nachfrage dämpfen. 

Das Konferenzzentrum erinnert an das ICC-Gebäude in Kyoto von Sachio Otani. (Foto © Flughafen Zürich AG)

Auf elf Stockwerken wurden Büros, eine Klinik, ein Konferenzzentrum, zwei Hotels und diverse Läden übereinander gestapelt. Das riesenhafte Bauvorhaben hat entgegen seinem Namen eher die Form eines Boomerangs. Zum Flughafen hin besitzt die Anlage eine nach oben geneigte Glasfassade und zum rückwärtigen Butzenbühl-Hügel eine offene Struktur mit «Gassen» und «Plätzen». Diese Wörter kann der japanische Architekt Riken Yamamoto, der das Projekt entworfen hat, akzentfrei auf Deutsch aussprechen. Obwohl sein Bau wie ein Solitär wirkt, sprach Yamamoto mir gegenüber in einem Interview für die Neue Zürcher Zeitung 2018 von einem «Ensemble» in der Tradition der Theorie der «Gruppenform» von Fumihiko Maki. 

Den Terminals des Flughafens Zürich wendet «The Circle» eine geneigte Glasfassade zu. (Foto © Flughafen Zürich AG)
Die «Gassen» des Projekts sollen laut Yamamoto an den Massstab mittelalterlicher Städte erinnern. (Foto © Flughafen Zürich AG)
Foto © Flughafen Zürich AG

In der Ebene der Fassaden liegen Betonstützen, die mit Paneelen aus Aluminium verkleidet wurden. Die Spannweiten variieren dabei in drei Stufen. Die Stützen schimmern silbrig in der Sonne – bei bedecktem Himmel hingegen wirkt «The Circle» mausgrau.

Seine Raffinesse zeigt der Entwurf erst im Inneren: Die Bereiche zwischen den Gebäudeteilen haben Glasdächer, unter denen Läden und Restaurants ihre Fassaden individuell gestalten, nur darüber sind die Ansichten einheitlich, flach und bündig. Selbst die Beschilderung ist en detail reguliert. Yamamoto geht es nicht um die Grossform, sondern um Zwischenräume. «Ich entwerfe grosse Gebäude in ganz einfacher Art», sagt er. Tragwerk und Materialien hat Yamamoto minutiös aufeinander abgestimmt. Seine Architektur wird von den präzise gesetzten, schlanken Stützen geprägt. 

Foto © Flughafen Zürich AG

«The Circle» soll eine neue Art von Stadt sein, ein Knotenpunkt, an dem Menschen aus aller Welt zusammenkommen. Wie in den Altstädten der Schweiz sollen die Räume darin flexibel nutzbar sein – das Projekt sei eine «Altstadt mit neuer Technik», sagt Yamamoto. «The Circle» soll den grössten Schweizer Flughafen von der blossen Verkehrsdrehscheibe zur Destination machen. Yamamoto will «Dichte attraktiv gestalten» und träumt davon, dass sich seine Anlage in Zukunft als neuer Stadtteil etablieren kann. Für ihn ist das Grossgebäude eine «urbane Landschaft». 

Die Schweiz ist derzeit – neben Taiwan und Frankreich – das japanophilste Architekturland der Welt. Das grosse Interesse an der japanischen Architektur dürfte dabei nicht allein in ihrer Eleganz begründet sein, sondern im fernöstlichen Vermögen, aus Dichte Qualität zu generieren. Ob «The Circle» mittel- und langfristig ein Erfolg wird, bleibt unterdessen abzuwarten. Schliesslich ist heute beispielsweise nur schwer abzusehen, wie sich der Luftverkehr zukünftig entwickeln wird. Und auch Tragweite und Folgen der sich abzeichnenden Wirtschaftskrise infolge der Corona-Pandemie sind ungewiss. Es bleibt die bange Frage, wie zeitgemäss die riesige, kostspielige Anlage aktuell noch ist.


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