Ein Sommerrätsel
Manuel Pestalozzi
30. Juli 2018
Swiss Architects liebt zwar Raster, der Fokus dieses Beitrags befindet sich aber auf der linken Seite. Bild: Beobachter 15/2018, S. 53
Der Blick von Kunstschaffenden auf die Stadt abstrahiert, bisweilen wird auch mit Verzerrungen gearbeitet. Dass diese Interpretationen auch in «Fakes» ausarten können, zeigt die aktuelle Ausgabe des «Beobachter».
Der «Beobachter» deckt bekanntlich seit bald 100 Jahren grosse und auch weniger grosse Missstände im gesellschaftlichen Gefüge der Schweiz auf. Der geschickte Mix von Information, Unterstützung von Benachteiligten und Unterhaltung umfasst auch die graphischen Künste. Der umstrittene Politveteran Christoph Blocher verheimlicht nicht, dass er das Werk des «Heimatmalers» Albert Anker als Jugendlicher durch die sogenannten Kunstblätter im «Beobachter» kennen und lieben lernte. Die Reproduktionen von Gemälden wurden lange als Titelumschlag der Publikation verwendet, die so ohne jegliche Schrift oder Bezug zum eigentlichen, oft brisanten Inhalt sehr diskret und gewissermassen im Tarnanzug daherkam.
Heute hat die Kunst ihren Platz nicht mehr auf der Titelseite, sondern in der Rätselecke des Magazins. Mit verblüffender Frivolität wird das alte Spiel «Finden Sie die acht Unterschiede» mit bekannten Gemälden betrieben. Mitarbeitenden aus der Layoutabteilung machen sich offenbar einen Spass daraus, Werke mittels Photoshop minimal zu verzerren und zu entfremden – was angesichts der grassierenden Copyright-Hysterie wirklich recht kühn und allgemein auch etwas respektlos wirkt.
In der aktuellen Ausgabe (15/2018) ist Robert Delaunay an der Reihe, der als einer der bedeutendsten Wegbereiter in der Kunst des frühen 20. Jahrhunderts gilt. Sein Hauptsujet war die Stadt Paris. Das Rätselteam hat sich seine «Étude pour la ville» aus dem Jahr 1910 vorgenommen. Die Kunstbeflissenen unter den Konsumentinnen und Konsumenten dieser Meldungen sind eingeladen, sich Gedanken zu machen, welches nun das Original und welches das verfremdete Fake ist, bevor sie auf den obigen Link klicken. Wer die Studie und weitere Arbeiten Delaunays im Original sehen möchte, erhält demnächst im Kunsthaus Zürich Gelegenheit dazu: Vom 31. August bis am 18. November 2018 gastiert dort die Ausstellung «Robert Delaunay und Paris».
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