Die Kraft der öffentlichen Meinung
Juho Nyberg
3. Oktober 2013
Bebauung des südlichen Areals vor (li.) und nach (re.) der Überarbeitung in Zusammenarbeit mit dem Heimatschutz (Bild: Hiag Immobilien)
In Wetzikon ist die rechtskräftige Baubewilligung der «Schönau» durch eine Abstimmung umgestossen worden. Doch damit ist die Geschichte noch lange nicht zu Ende.
Abseits von den vieldiskutierten – und gescheiterten – Grossprojekten des vergangenen Abstimmungswochenendes hat sich in Wetzikon die Geschichte des Schönau-Areals um ein Kapitel weiterentwickelt. Dabei ist das Ende und der Ausgang noch nicht absehbar. Gegenstand der Diskussionen ist ein ehemaliges Industrieareal und das denkmalgeschützte Fabrikensemble. Eigentümerin des Areals ist die Hiag Immobilien, die beabsichtigt, die Bestandesgebäude umzunutzen und auf den Freiflächen des Areals Wohnbauten zu erstellen. Für die Neubauten wurde ein Wettbewerb ausgelobt, den das Büro Knapkiewicz & Fickert für sich entscheiden konnte. Die Jury bestand aus unabhängigen Architekten, Gemeindevertretern und Mitgliedern der kantonalen Denkmalpflege. Der ursprüngliche Entwurf von Knapkiewicz & Fickert mit drei Baukörpern wurde in Absprache mit dem Heimatschutz überarbeitet. Um dem Fabrikgebäude zu mehr Präsenz zu verhelfen wurden die Volumen reduziert. Andere Interessengruppen meldeten ihre Begehren ebenfalls an, so wurde etwa ein Kulturhaus und ein Restaurant in das Konzept des Areals integriert, zuletzt bot die Eigentümerin sogar an, das Fabrikgebäude nach der Sanierung einer Genossenschaft zu verkaufen, auf dass das Areal auch günstigen Wohnraum anzubieten vermöge.
Zurückhaltend: Freie Sicht auf die Fabrik nach der neuen Komposition der Volumen (Bild: Hiag Immobilien)
Das Anfang März eingereichte Baugesuch für das Projekt von Knapkiewicz & Fickert umfasste nur zwei der drei vorgesehenen Baukörper, die zonenkonform geplant und eingegeben wurden. Parallel dazu hatte der auf dem Areal eingemietete Architekt Roland Leu eine Einzelinitiative auf Gemeindeebene eingereicht, die einen öffentlichen Gestaltungsplan mit radikalen Forderungen (Reduktion des Ausnutzung, Anordnung der Freiflächen, etc.) für das gesamte Areal stellte. Der Denkmalpflege wie auch dem Heimatschutz warf der Initiant Versagen vor, obschon diese Stellen, wie oben erwähnt, in die Erarbeitung des Projektes eingebunden worden waren.
Die (überraschende) Annahme der Einzelinitiative durch die Wetziker Gemeindeversammlung schafft vorerst eine verwirrende Situation von Rechtsunsicherheit: Sollten die Rekurse gegen die erteilte Baubewilligung abgewiesen werden, könnte das Projekt realisiert werden, während die Gemeinde parallel dazu einen dem Projekt widersprechenden öffentlichen Gestaltungsplanerarbeiten müsste. Offensichtlich ist das Rechtsmittel der Einzelinitiative hier gezielt zur Verhinderung eines konkreten Bauprojekte eingesetzt worden. Ginge es den Initianten grundsätzlich um das Areal, hätten sie in den vergangenen Jahren mehrfach Gelegenheit gehabt, die Rahmenbedingungen dafür mitzugestalten. Doch auch bei der letzten Revision des Richtplanes war die Belegung der Wiese mit einer Freihaltezone kein Thema. Es zeigt sich, dass es hier nicht um ein grundsätzliches Anliegen geht, sondern um eine Reflexhandlung. Die Anstrengungen der Eigentümerin, ihr Projekt für möglichst viele Anspruchsgruppen ideal zu gestalten entspricht weit mehr dem Schlachtruf «Schönau für alle» als das Verhalten jener, die sich dies auf ihre Fahne schreiben.