Czech interpretiert Loos
Susanna Koeberle
15. Oktober 2018
Heute ist die Wohnung, die Adolf Loos 1913 ausstattete, ein Bridge Club. Bild: Vienna Design Week
Im Rahmen der Vienna Design Week fand kürzlich eine Tour mit dem Wiener Architekten Hermann Czech statt. Sie führte zu Bauten von Adolf Loos wie auch zu Projekten von Czech selber. Wir spazierten mit.
Von 1908 bis 2017, von Loos bis Czech. Bei einem vierstündigen Spaziergang mit dem Adolf Loos-Kenner und Architekten Hermann Czech erfuhren die Spazierenden nicht nur viel über Wiens Architektur von der Wiener Moderne bis zur Jetztzeit. Es wurde auch klar, dass Czech quasi jeden Stein in seiner Heimatstadt kennt. Die Tour fand im Rahmen der Vienna Design Week und ihrem reichhaltigen Vermittlungsprogramm statt. Dabei konnten die Teilnehmenden Projekte zweier lokaler Architektengrössen kennenlernen – oder neu entdecken. Der Spaziergang begann in einer Wohnung im ersten Bezirk, bei der Adolf Loos (1870 –1933) im Jahr 1913 die ganze Innenausstattung realisiert hatte, und endete in einer kürzlich fertig gestellten Bar von Hermann Czech, dem «Cin Cin Buffet». Dazwischen besuchte man einige der legendären Lokale von Hermann Czech wie die «Wunder-Bar», das «Kleine Café» sowie das «Gasthaus Pöschl». Auch eine Bar-Ikone von Altmeister Adolf Loos durfte nicht fehlen: die «American Bar» unweit der Kärntner Strasse.
Der Architekt Hermann Czech ist auch ein Spezialist der Wiener Moderne. Bild: Vienna Design Week
Die erste Station dieses besonderen architektonischen Steifzugs ist heute ein Bridge Club, also definitiv ein Ort, zu dem man als Touristin nicht unbedingt finden würde. Der Entwurf von Loos ist trotz einzelnen späteren Eingriffen ziemlich gut erhalten; die Räumlichkeiten sind Zeugnis einer luxuriösen, grossbürgerlichen Wohnung aus der Zeit der 1910er-Jahre. Czech erläutert anhand eines alten Grundrisses den Aufbau der grosszügigen Wohnung. Zu den loosschen Interventionen gehören auch der Entwurf von Leuchten und Einbauten. Die Repräsentationsräume, die zum Wienfluss ausgerichtet sind, sind geprägt durch edle Materialien und schön gearbeitete Details. Im ersten Saal ist das etwa heller Marmor und japanisches Zitronenholz. Im ehemaligen Speisesalon findet man heute noch eine grüngrau gemaserte Marmorverkleidung sowie verschiedene Messingvitrinen. Bei den die vorderen Räume gliedernden Schiebewänden aus Nussbaumholz sind noch die originalen Beschläge erhalten. Hermann Czech macht in diesem Zusammenhang deutlich, dass Adolf Loos nicht per se gegen Ornamente war (der Titel seiner Schrift «Ornament und Verbrechen» ist diesbezüglich irreführend); seine Abneigung galt vielmehr einer Form, die keinen Gebrauch widerspiegelt. Bei dieser Wohnung wird sein Prinzip einer funktionalen Raumaufteilung nachvollziehbar.
Hermann Czech erklärt seinen Entwurf der «Wunder-Bar». Bild. Vienna Design Week
Weiter geht’s zur «Wunder-Bar», die Hermann Czech 1976 gestaltete. Der barocke Bau weist im Innern mehrere Gewölbe mit Rippen auf. Diese strukturieren den Raum. Hört man den Ausführungen von Czech zu, erkennt man schnell: Hier ist wirklich jedes Detail durchdacht. So etwa die Polsterung bei den Eckbänken, die auf den ersten Blick ganz traditionell aussieht. Dass die Rückenlehne konkav ist, hat allerdings ergonomische Gründe. Auch die Bar oder die Ablagen aus Holz und Stein sind in Form und Proportion sowohl auf die Barbesucher wie auf das Personal abgestimmt. Offensichtlich kann sich Hermann Czech in beide Seiten hineinversetzen. Beim Besuch des «Kleinen Cafés» zeigt sich ein weiteres typisches Merkmal vieler Czech-Lokale: Sie sind klein. Trotzdem wirken die räumlichen Verhältnisse nie eng. Diesbezüglich hat Czech von «Meister» Loos gelernt. Der Umgang mit Spiegeln und Licht ist in der Tat virtuos, auch wenn – oder gerade weil – er schlicht und unspektakulär ist. «Architektur ist Hintergrund», lautet ein bekannter Leitsatz von Czech. Der Mann hält sich offensichtlich auch daran.
Licht und Spiegel im «Kleinen Café». Bild: Vienna Design Week
Die «Loos-Bar» (1908) – wie die «American Bar» auch genannt wird – ist mit ihren 27 m2 die kleinste Bar Wiens. Loos arbeitete hier mit der Wirkung von Spiegeln und schuf mit diesem optischen Trick ein Endlos-Raumgefühl – das man auch schon vor dem dritten Drink erfahren kann. Die Materialkombination von Holz, transluzidem Onyx, Messing, Glas und Marmor ist schlichtweg grossartig. Die hinterleuchteten Tischchen kreierte Loos anscheinend, um das Optimum aus seinen Glaskreationen für Lobmeyr herauszuholen. Ursprünglich habe es keine Barhocker gegeben, berichtet Czech, Stehplätze an der Bar waren in dieser Zeit durchaus üblich – auf diese Weise hatten auch mehr Leute im Raum Platz. Dichtestress war damals wohl ein Fremdwort. Ein weiterer Abstecher zum so genannten Loos-Haus am Michaelerplatz offenbart den Detailreichtum dieses bekanten Baus, der damals viele Zeitgenossen (inklusive den Kaiser Franz Joseph) schockierte. Eine Karikatur aus der Zeit vergleicht das funktionale Gebäude mit dem Raster eines Kanaldeckels. Czech sensibilisiert für allerlei Details, man könnte vermutlich Stunden mit ihm darin verbringen und er wüsste auch dann noch etwas zu berichten. Den Ausklang dieser lehrreichen Tour bildet ein Besuch in der jüngsten Bar des Wiener Architekten. Die Inhaberin des «Cin Cin Buffet» wollte unbedingt Hermann Czech als Architekten haben und fragte bei ihm an. Dieser sagte sofort zu – und bescherte Wien ein kleines Raumwunder mehr. Darauf anzustossen, war dann nur konsequent.
Das «Cin Cin Buffet» ist die jüngste Bar von Hermann Czech. Bild: Lukas Schaller
Begleitet wurde die Tour durch die Wiener Architektin Marion Kuzmany. Sie organisiert regelmässig Architekturreisen.