Con Movimento ondulatorio
Manuel Pestalozzi
28. November 2016
Frühlingsvision zwischen dem Ufer des Tessin und der Autobahn A2. Bilder: AR&PA/Pianifica/AZPML
Bellinzona erhält eine neue Passerelle über den Tessin und die Autobahn. Am Ort der geplanten Flussquerung stand in der Renaissance die erste Brücke zwischen der Kantonshauptstadt und Carasso.
Schon Ludovico il Moro wusste, dass dies der günstigste Ort für einen Übergang ist. 1478 wurde auf seinen Befehl hin westlich des Stadtzentrums der Ponte della Torretta errichtet. Der legendäre Renaissancefürst aus der Familie Sforza, Regent von Mailand, unterschätzte die Gewalt der Natur. Bereits 1515 wurde die Brücke als Folge der Buzza di Biasca weggefegt; nach einem Bergrutsch am Ausgang des Bleniontals 1513 staute sich dort das Wasser. Am 20. Mai des Marignanojahrs barst der natürliche Damm, eine zerstörerische Schlammlawine raste in Richtung Langensee und riss mit, was sich ihr in den Weg stellte.
1816 wurde die Brücke neu gebaut, die schnurgerade Viale Stefano Franscini führte vom Stadtzentrum zum Übergang und dahinter nach einer scharfen Linkskurve nach Locarno. Wegen des Baus der Autobahn wurde die Brücke anfangs der 1970er-Jahre abgerissen, die Viale Stefano Franscini endet seither mit einem Kreisel, die linksufrige Rampe ist aber noch intakt. 2013 schrieb der Kanton Tessin einen Wettbwerb für eine Velopasserelle, eine Passerella ciclopedonale della Torretta aus. Ende Oktober wurde das Siegerprojekt bekanntgegegben. Es stammt vom Team AR&PA Engineering, Pregassona, Pianifica Ingegneri Consulenti, Locarno – und dem Architekturbüro AZPML aus London.
Die neue Passerelle beginnt am Ende der alten Brückenrampe. Die beidseitigen Stahlfachwerke wölben sich zuerst leicht über dem Steg, setzen sich über dem Fluss als Untergurt fort, um bei der Überquerung der Autobahn nochmals als Obergurt aufzusteigen. Das Tragwerk beschreibt somit auf einer Länge von rund 200 Metern eine wellenförmige Bewegung. Zwischen dem rechten Flussufer und der Autobahn führt eine Wendeltreppe in weitem Schwung zum Uferweg hinab. Die Jury lobte die umsichtige, mit kreativer Energie auf den Ort eingehende Konstruktion, die historische Überreste mit einbezieht und mit seinem unauffälligen «Movimento ondulatorio» Hindernisse der Natur und der Zivilisation bewältigt. Gemäss dem «Corriere del Ticino» wird die Passerella della Torretta 4,5 Millionen Franken kosten, Dreiviertel kommen vom Kanton, ein Viertel aus «Bern». Die Zeitung rechnet mit einer Fertigstellung frühestens 2020.