Aus Kies und Schnur gebaut

Manuel Pestalozzi
5. Oktober 2018
Bild: mp

Die Forschung von Gramazio Kohler der ETH Zürich ist in Fachkreisen bekannt, einer breiten Öffentlichkeit dürften die beinahe niedlichen Roboter, die emsig Ziegelwände oder eben Schotter-Pavillons errichten nicht unbedingt vertraut sein. Das kann sich nun ändern, denn derzeit steht auf dem Kirchplatz vor dem Gewerbemuseum Winterthur, in dem die Ausstellung «Hello Robot» zu sehen ist der «Rock Print Pavilion», mit dem die transformierende Kraft digitaler Bauprozesse demonstriert wird.

Kies bildet Haufen, Schnüre kommen in Knäueln oder Spindeln. Dass sie gemeinsam ohne weitere Zutaten vertikale, belastbare Tragstrukturen bilden können, entdeckte das Forschungsteam Gramazio Kohler Research der ETH Zürich. Es hat den In-situ Fabricator, einen der Roboter der Professur für Architektur und Digitale Fabrikation, so trainiert, dass er die Steinchen und eine kontinuierliche Schnur-Schlaufenfolge Schicht um Schicht vertikal auftürmen und verfestigen kann. In diesem Trockenbauverfahren errichtete das Projektteam um die beiden Forschenden Petrus Aejmelaeus-Lindström und Gergana Rusenova auf dem Campus der ETH Zürich skulpturenartige Versuchsstrukturen, wie man sie mit Sicherheit zuvor noch nie gesehen hat.

In diesem Herbst begleitete das Forschungsteam den In-situ Fabricator nach Winterthur. Mitten in der Altstadt, gegenüber dem Gewerbemuseum Winterthur, liessen sie ihn eine Komposition aus elf Säulen nach der beschriebenen Methode aufschichten. Der Roboter ist ein Arbeitsinstrument, betonte Professor Fabio Gramazio anlässlich einer Begehung am 3. Oktober, mit ihm erbringen Menschen «handwerkliche Präzision». Auf die elf Säulen wurde eine Stahlplatte gesetzt. Sie macht aus der Skulptur Architektur – den «Rock Print Pavilion».
 
Gramazio Kohler Research konnte für dieses Vorhaben Dr. Lüchinger + Meyer Bauingenieure AG aus Zürich ins Boot holen. Das Unternehmen betätigte sich nicht nur als Sponsor, es wagte sich auch als Statiker in dieses konstruktive Neuland und garantierte, dass das Dach zuverlässig in Position bleibt. Wie an der Begehung zu erfahren war, stärkt die Belastung die Tragfähigkeit der Struktur; die in zwei Teilen angelieferte Dachplatte ruht auf Stahltellern, die mit kurzen Dornen in der Kies-Schnur-Struktur verankert sind. Die Anordnung und Ausformung der Säulen, die sich im unteren Bereich teilweise zu Wänden vereinen, beruht nicht nur auf gestalterischen Prinzipien und statischen Erfordernissen. Formbestimmend waren ebenso die Arbeitsweise und die physischen Kapazitäten des In-situ Fabricators. Auch Roboter brauchen Ellbogenfreiheit.
 
Das Forschungsteam überwacht den Pavillon eng und misst die Performance der Struktur. Am 4. November 2018 wird das Dach wieder entfernt. Anschliessend kann man, wie es schon bei der im selben Sinn konzipierten Skulptur Rock Print an der Architekturbiennale 2015 in Chicago geschehen ist, die ordinäre Recyclingschnur einfach wieder aufspulen. Der Kies wird befreit, fällt wieder zu Erde und sammelt sich zu Haufen.


Öffentliche Führungen im «Rock Print Pavilion»
Mit Forscherinnen und Forschern von Gramazio Kohler Research, ETH Zürich
Samstag, 6. Oktober 2018, 11 Uhr
Sonntag, 14. Oktober 2018, 11 Uhr
Samstag, 20. Oktober 2018, 11 Uhr
Sonntag, 4. November 2018, 14 Uhr

Bild: mp

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