Alles Bielefeld oder was?
Manuel Pestalozzi
9. Februar 2016
Bild: www.campus-bielefeld.de/
Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass es Bielefeld gar nicht gibt. Jetzt wird es noch schlimmer: Nicht nur Bielefeld, auch «Stadt gibt es nicht! » Das ist allerdings kein Gerücht, sondern der Titel eines neuen Buches.
Nun hat man sich alles so schön zurechtgerückt und sämtliche Sachbücher gelesen, sich zahllos Oden an die Grosse Mutter aller guter Architektur zu Gemüte geführt und glaubt: Ohne Stadt würde es schlecht stehen um uns. Dutzende von Lehrstühlen stützen diese These; Institute für Städtebau oder für die Geschichte von ihr festigen den Mythos der Ballungszentren, die ihre Bewohnerinnen und Bewohner in jeder Hinsicht bereichern und sie zu produktiven und mitunter sogar kreativen Höchstleistungen anspornen.
Und jetzt das. Ein Buch dessen Titel besagt, dass es das gar nicht gibt! Es ist kein frivoler Fastnachtsscherz, die Aussage steht nicht auf einem Pamphlet, das man ohnehin gleich entsorgt, sondern auf dem Deckel einer Publikation der DOM Publishers, die ohne Zweifel Anspruch auf akademische Ernsthaftigkeit erhebt. Wer hat das verbrochen? Zwei Schweizer. Die Herausgeber Andri Gerber und Stefan Kurath haben es für nötig gehalten, die Fachwelt und das interessierte Laienpublikum auf die «Unbestimmtheit als Programm in Architektur und Städtebau» hinzuweisen.
Die Grunderkenntnis, die das Werk entstehen liess, ist jene, dass der Idealvorstellung von Stadt die Wirkungskraft fehlt. Sie verdrängt die Dynamiken des Stadtwerdens, die insbesondere von Unbestimmtheit geprägt sind. Die Botschaft des Buchs ist daher: Unbestimmtheit muss zum Programm einer zeitgenössischen Praxis in Architektur und Städtebau werden, die sich nicht der ideengeschichtlichen Herleitung eines Ideals, sondern einer vertieften wirkungsgeschichtlichen Auseinandersetzung verschreibt. Ihr Ausgangspunkt ist nicht Stadt, sondern das Bewusstsein, dass Stadt als reproduzierbare Entität nicht existiert und somit nicht eingefordert werden kann.
Unbestimmtheit als Programm – es tönt schwierig. Dieser Band versammelt in diesem Licht Einblicke in die Praxis der Architektur, der Planung sowie der Geschichtsschreibung.
Stadt gibt es nicht!
Unbestimmtheit als Programm in Architektur und Städtebau
Band 44 der Reihe Grundlagen
Andri Gerber / Stefan Kurath (Hg.)
210 × 250 mm, 256 Seiten, 90 Abbildungen
Softcover
ISBN 978-3-86922-461-9 (deutsch)
EUR 28,00 / 34,80 CHF
DOM Publishers