Was macht eigentlich ein Gärtner?
Jenny Keller
5. März 2015
Bild: Giardina, 2014
Der Garten gehört zum Haus, so will es jede Kinderzeichnung. In städtischen Gebieten ersetzt oft eine grosse Terrasse das Grün um das Gebäude, und diese wird zunehmend professionell gestaltet, stellt Carlo Vercelli von Jardin Suisse fest.
Herr Vercelli, was charakterisiert den typisch schweizerischen Garten?
Gärten sind so individuell wie die Menschen, die sie bepflanzen. Das macht die Faszination eines Gartens aus. Es gibt verträumte, romantische Gartenanlagen mit lauschigen Ecken und Winkeln auf der einen Seite und formal strenge Gärten mit geraden Linien und klaren Abschlüssen auf der anderen. Man trifft vielleicht auf Natursteinmauern oder auf Unterteilungen aus Glas oder Beton, und es gibt Naturteiche oder künstliche Pools. Der eine Garten hat eine wild wuchernde Pflanzenvielfalt, während in einem anderen die Pflanzen streng nach Farben angeordnet sind. Den typisch schweizerischen Garten gibt es also nicht.
Auch der Beruf des Gärtners ist vielseitig und anscheinend beliebt. Doch anders als in der Landschaftsarchitektur handelt es sich laut Zahlen um eine Männerdomäne. Woran liegt das, ist der Job körperlich zu streng?
Der Gärtnerberuf ist bei den Jungen sehr beliebt und belegt den 13. Platz bei der Berufswahl. Konkret heisst das, dass 1200 Auszubildende jährlich einen der vier Gärtnerberufe wählen, rund ein Fünftel davon sind Frauen. Dabei wählt der Grossteil eine Lehre im Garten- und Landschaftsbau. Dank Maschinen, die schwere Arbeiten erleichtern, wird der Garten- und Landschaftsbau auch für Frauen immer attraktiver.
Welches sind die vier Gärtnerberufe?
Es gibt den Garten- und Landschaftsbauer. Er plant, kreiert, baut und pflegt Gärten und Grünräume. Die gärtnerischen Produktionsberufe unterteilen sich in die Zierpflanzenproduzenten, die Baumschulisten und die Staudenproduzenten. Die Profis in den Gärtnerberufen arbeiten Hand in Hand mit der Natur, gestalten Lebensraum und kultivieren Pflanzen.
Wie ist es um den Nachwuchs bestellt?
In unserer Branche arbeiten über 25'000 Personen, davon sind rund 22'000 im Garten- und Landschaftsbau tätig. 3'000 Leute arbeiten in gärtnerischen Produktionsbetrieben. Infolge des Geburtenrückgangs Mitte der neunziger Jahre wird es aber immer schwieriger, Ausbildungsplätze zu belegen. Uns steht ein Fachkräftemangel bevor.
Wie hoch liegt der Einstiegslohn als Gärtner oder Gärtnerin in der Lehre, und was sind realistische Lohnerwartungen?
Ein Garten- und Landschaftsbauer verdient anfangs 4'300 Franken bei 13 Monatslöhnen, Produktionsgärtner etwas weniger. Ohne Weiterbildung ist das Gehalt nach oben begrenzt. Nichtsdestotrotz lag der Medianlohn [50% verdienen weniger, 50% mehr, d. Red.] 2013 bei 5'550 Franken im Monat.
Der Platzbedarf beim Wohnen ist in der Schweiz stetig gestiegen und liegt laut Bundesamt für Statistik bei 45 m2 pro Person. Wie sieht es mit der Garten- beziehungsweise Balkongrösse aus?
Diese Entwicklung führt dazu, dass die Bauplätze und damit auch die Gärten kleiner werden. Wir stellen fest, dass gerade in städtischen Überbauungen dem Garten ein noch höherer Stellenwert zukommt als in ländlichen Gegenden. Der Garten wird als erweiterter Wohnraum in den Alltag integriert. Er wird oft als zusätzliches Zimmer, mit dem Himmel als Dach, gesehen und genutzt. Die Terrassen werden wie die Wohnungen eher grösser und immer öfter professionell gärtnerisch gestaltet.
Dank Youtube, Foren und anderen Online-Quellen, die die Gärtnerei für
jedermann zugänglich machen, ist diese nicht mehr nur den Gärtnern vorbehalten, sondern findet auch Beliebtheit in der Stadt, etwa in der Urban-Gardening-Gemeinde. Was sagen Sie zu diesen Trend?
Für uns Gärtner ist alles gut, was das Interesse am Gärtnern weckt, denn das erhöht den Bedarf an ausgebildeten Fachleuten. Im Internet finden Sie auch Anleitungen, wie man den Turbolader eines Autos flickt, den Automechaniker brauchen Sie aber trotzdem noch.
Carlo Vercelli ist Geschäftsführer von Jardin Suisse, dem Unternehmerverband der Gärtner Schweiz.
Das Interview erschien ursprünglich in der Giardina-Sonderbeilage der NZZ am Sonntag vom 1. März 2015.
Zum Thema
– Vom 11. bis zum 15. März findet in Zürich die Gartenmesse Giardina statt.
– Der Artikel Die begrenzte Freiheit des Kleingartens im eMagazin #23|14.