Vor der Abstimmung zum neuen Raumplanungsgesetz
Juho Nyberg
14. Januar 2013
Wer hat die meisten Unterschriften gesammelt? (Bild: Screenshot)
Trotz eines breiten Konsenses zur Revision des Raumplanungsgesetzes wird hitzig debattiert. Zersiedelung und Verdichtung sind mittlerweile in aller Munde – auch in aller Köpfe? Eine Auslegeordnung von Juho Nyberg.
In der sich beschleunigenden Debatte zur anstehenden Abstimmung über die Landschaftsinitiative respektive über das revidierte Raumplanungsgesetz (RPG) melden sich selbst Verstorbene zu Wort. Max Frischs «Achtung: die Schweiz» wird allenthalben zitiert und Bundesrat Kurt Egloff taucht in Schwarzweissaufnahmen auf, und so lässt sich erkennen, dass es sich hierbei nicht um ein neues Problem handelt, sondern um ein verdrängtes. Das aktuelle RPG stammt aus dem Jahr 1979 und wurde im Laufe der Jahre immer wieder angepasst. Die nun vorgeschlagenen Revisionen sind denn auch nicht revolutionäre Postulate, sondern vielmehr ein weiterer Schritt in der Evolution dieses wichtigen und unsere Umgebung prägenden und gestaltenden Gesetzes.
Dagegen hat der Schweizerische Gewerbeverband das Referendum ergriffen und im Oktober letzten Jahres rund 68'000 Unterschriften eingereicht. Rund die Hälfte der Unterschriften kamen im Kanton Wallis zusammen, jener Kanton, in dem gemäss der vom Bund 2008 in Auftrag gegebenen Studie (sog. «Fahrländer-Studie») mit über 4'000 Hektaren die grösste Fläche unüberbauter Bauzonen befindet und der demnach am stärksten betroffen sein dürfte.
Massiver Überschuss an Baulandreserven
In der gesamten Schweiz gelten derzeit insgesamt rund 230'000 Hektaren Land als Bauzone, davon sind rund 20 Prozent nicht überbaut. Die Reserven liegen (logischerweise) eher in ländlichen Gegenden, also genau dort, wo es noch etwas zu schützen und zu erhalten gibt. Bereits im aktuellen RPG ist festgehalten, dass die Bauzonen den voraussichtlichen Bedarf der nächsten 15 Jahre befriedigen sollen. Gesetzlich ist es also schon seit über 30 Jahren geregelt, doch an der Umsetzung hapert es gewaltig.
Gemäss der Fahrländer-Studie übersteigen die Baulandreserven den Bedarf in besonders unverhältnismässiger Weise in den Kantonen Wallis, Tessin, Jura, Waadt, Freiburg und Solothurn. Folglich wurde dort allzu optimistisch eingezont, oder aus Interessen, die nicht nur der Allgemeinheit dienen. Wenn etwa ein Gemeindepräsident einer kleinen Gemeinde gleichzeitig Bauunternehmer ist... Filou, qui mal y pense.Im Kanton Graubünden hingegen sind die Vorgaben des geltenden RPG befolgt und seit 1984 wurden über 1'000 Hektar Bauland rückgezont.
Auflösung zu obigem Bilderrätsel: die mit dem langen blauen Balken (Bild aus Argumentarium des UVEK)
Entschädigung bei Rückzonungen?
Diese Rückzonungen und die Folgen daraus sind denn auch der Punkt, an dem sich die Kritik besonders heftig entzündet. Im Argumentarium der Gegner wird das als «grober Eingriff ins Privateigentum» bezeichnet und in Diskussionen daraus gelegentlich ein Verstoss gegen die verfassungsmässig verankerte Eigentumsgarantie konstruiert. Tatsächlich wird jedoch in Art. 26 der Schweizerischen Bundesverfassung (BV) gesagt, dass Enteignungen oder dem gleichkommende Beschränkungen voll zu entschädigen seien, in gleicher Weise ist die Entschädigung auch im (geltenden wie im neuen) RPG geregelt (Art. 5). Ein Verstoss gegen die BV wäre es erst, wenn die Entschädigung ausbliebe.
Da aufgrund der zu erwartenden Rückzonungen durchaus Kosten zu gewärtigen wären, stellt sich die Frage nach der Finanzierung der Entschädigungen. Dafür ist eine Abgabe von mindestens 20 Prozent auf sogenannte «Planungsvorteile», also das Gegenteil der oben erwähnten Rück- oder Auszonungen. Gemäss dem Argumentarium des Bundesrates würde eine solche Abgabe nur auf neu als Bauland eingezonte Grundstücke erhoben. Jedoch könnte auch bei anderweitig erlangten «Planungsvorteilen» eine Steuer erhoben werden, so die Gegner. Bereits haben verschiedene Kantone eine solche Mehrwertabgabe eingeführt (Basel-Stadt, Thurgau, Neuenburg, Genf). Um wie viel Geld es sich tatsächlich handeln würde, lässt sich derzeit nicht sagen, da die Auszonungen von den einzelnen Kantonen erarbeitet würden. Jedoch würde zum einen eine Frist von fünf Jahren gelten, um die kantonalen Richtpläne anzupassen, zum anderen stünde die Möglichkeit offen, gewisse Grundstücke als sogenannte Reservezonen zu taxieren und so eine zeitliche Staffelung zu erreichen.
Trotz allem: Es ist zu bezweifeln, ob die Mehreinnahmen die anfallenden Entschädigungszahlungen zu kompensieren vermögen. In die Bresche springen müsste letztlich wohl die Öffentlichkeit, also die Steuerzahler. Man muss sich allerdings die Frage stellen, wie viel uns eine schöne und lebenswerte Umwelt wert ist und ob wir uns das nicht etwas kosten lassen sollten.
Wenn die Argumente ausgehen. (Quelle: rpg-revision-nein.ch)
Es gibt noch viel zu tun
Allerdings würde alleine mit der Annahme der Revision des RPG die «kompakte Siedlungsentwicklung», also die vielgehörte Verdichtung nach innen, nicht im nötigen Mass vorangetrieben. Begleitende Entwicklungen in der Baugesetzgebung auf Kantons- und Gemeindeebene sind ebenso wichtig, die auch im Alltag von Planern und Architektinnen die Realisierung von «verdichteten» Projekten zulassen. Ein «Ja» am 3. März ist erst der Anfang einer notwendigen Entwicklung auf allen Ebenen, damit die gewünschte Siedlungsentwicklung der Schweiz auf zeitgemässe und zukunftsweisende Art gelingen kann.