Swiss Photo Award 2011
Juho Nyberg
17. Februar 2011
Die Jury bei der Arbeit (Bild: ewzselection.ch)
Anlässlich der 13. Durchführung des Swiss Photo Awards wurde der wichtigste gesamtschweizerische Fotopreis auch um die Kategorie Architekturfotografie ergänzt, um die Relevanz von Fotografie in der Architektur zu unterstreichen. Als Jury konnten Redaktorin Meret Ernst vom Hochparterre, Fotograf Hans Danuser sowie Architekt Urs Wolf gewonnen werden. Die spannenden Diskussionen der Jury inspirierten Juho Nyberg zu folgenden Gedanken.
Bereits zum 13. Mal wird der «Swiss Photo Award» verliehen. Dem interessierten Publikum bot sich am Preview Day am 10. Februar Gelegenheit, alle 680 eingereichten Beiträge zu sehen. Neben den bereits etablierten Kategorien Werbung, redaktionelle Fotografie, Fine Arts und den freien Beiträgen wurden dieses Jahr die beiden neuen Kategorien Fashion/Beauty/Lifestyle und Architektur ausgelobt. So bot sich dem zahlreich erschienenen Publikum ein breites Spektrum an Eindrücken im ewz-Unterwerk Selnau in Zürich.
Tags darauf nehmen die Juroren ihre Arbeit auf, um aus der Vielzahl der Beiträge die herausragendsten auszuwählen. In der Kategorie Architektur sind 59 Beiträge eingereicht worden, die im letzten Jahr entstanden und publiziert wurden – so die Kriterien.
Sowohl in den dokumentierten Objekten als auch in der Art der Dokumentation findet sich Bewährtes und nie vorher Gesehenes. Arbeiten, die einem fotografischen Tagebuch ähneln sind vertreten, daneben intime Betrachtungen von Industrieanlagen wie auch Auftragsarbeiten als Bestandesaufnahmen von Gebautem. Dabei scheinen die einzelnen Arbeiten zufällig oder nach Eingang nebeneinander zu liegen. Sie sind damit nicht gesondert erfassbar, sondern stehen in einem zufälligen Kontext zu den jeweils nebenan liegenden Beiträgen. Ähnlich wie sich das Bild einer gewachsenen Stadt präsentiert, bauen die Bilderserien Spannungen und Verhältnisse zueinander auf. Besonders spannend wirkt sich dies aus, als gegen Ende der Jurierung immer mehr Beiträge ausscheiden und die verbleibenden dadurch in neue Nachbarschaften gerückt werden. Doch auch entfernt voneinander liegende Fotografien treten in Konkurrenz, als etwa stilistische Ähnlichkeiten vertieft diskutiert werden. Beim Umplatzieren der Bilder zwischen den einzelnen Ausscheidungsrunden kommt es sogar vor, dass die Bildfolge innerhalb eines Beitrages ändert oder die Anordnung von horizontal auf vertikal. Die aufgebaute Vertrautheit ist plötzlich dahin und das eine und andere Mal werden die Bilder in wechselnde Relationen zueinander gestellt, bis wieder ein möglichst schlüssiges Ganzes aus dem Beitrag entsteht. Die Juroren nehmen sich hierfür viel Zeit und nähern sich dabei auf sehr persönliche Weise den jeweiligen Arbeiten.
Katalin Deérs prämierte Arbeit (Bild: ewzselection.ch)
Die Essenz der Architektur aufspürenEine bereits früh aufgeworfene Grundsatzfrage ist die, wie der Architektur am besten gerecht zu werden ist. Arbeitet sich der Fotograf nur oberflächlich, routiniert am Objekt ab, oder versucht er sich einem Lyriker gleich dem Kern, der Seele des Gebäudes zu nähern – auf der Suche nach der Essenz des Gebäudes, ja der Architektur selbst?
Ist eine plakative Wirkung Absicht des Architekten oder des Fotografen? Vieles, was heute gebaut wird, vermarktet sich selbst und gleichzeitig auch die Bauherrschaft. Eine allgemeine Tendenz zu forscherer und spektakulärerer Architektur ist zu erkennen und das Spektakel überträgt sich bisweilen auch auf die Bilder. So erscheinen einige Bildstrecken eher wie Werbefotografie denn wie Dokumentationen und unterwerfen sich gelegentlich auch erkennbaren Trends in der Bildsprache oder zitieren damit vergangene Epochen.
Aber wann lässt ein Gebäude eine tiefschürfende Betrachtung überhaupt zu? In der heutigen Zeit, da jeder mit seinem Mobiltelefon jederzeit zu einem Instant-Paparazzo werden kann, sind Bilder in einer nicht mehr überblickbaren Menge vorhanden. So begegnet man des Öfteren den gleichen Gebäuden, gesehen durch andere Augen. Mag der unbekannte Blick auf bereits Bekanntes noch Neues zutage fördern? Manchmal ist die Geschichte bereits erzählt – déjà-vu. Gleichzeitig wecken andere Bilder Assoziationen zu bekannten Objekten, weil die Motivauswahl ähnlich ist.
Aber auch das Geschichtenerzählen ist keine leichte Sache: Während die eine Geschichte mit groben Strichen skizziert und der Ausgang offengelassen wird, verdankt die andere ihre Qualität eben der umfassenden und abgeschlossenen Erzählweise und den unverhofften Wendungen.
Handwerklich hervorragende Arbeiten vermögen auch ein architektonisch vergleichsweise banales Objekt auf eine höhere Ebene zu heben. Dennoch ist zu spüren, wann Fotograf und Bauwerk sich auf Augenhöhe begegnen und einander herausfordern. Dann entsteht ein Dialog zwischen den beiden und der Fotograf vermag das Gebäude mit seinen Mitteln neu zu interpretieren. So erfährt auch ein älteres Bauwerk durch die neue Betrachtung eine zeitgemässe Würdigung, ohne aus der Zeit gefallen zu wirken. Die Präsenz der Architektur gibt dem Fotografen die Möglichkeit, sich einzubringen.
Für die Shortlist nominiert: Hannes Henz und David Willen (Bild: ewzselection.ch)
Wann kommt das Bild in den Kopf?Eine weitere, sehr grundsätzliche Frage, die aufgeworfen wird, ist jene nach dem Einfluss der Bilder beim Architekten selbst. Beginnt der Entwurf mit einer Vision, einem Bild im Kopf? Oder entwickelt sich dieses erst während der Auseinandersetzung mit den gegebenen Rahmenbedingungen und den ersten Skizzen? Gewiss gibt es auch hier verschiedene Ansätze, und man könnte versucht sein zu behaupten, dass es Gebäuden bisweilen anzusehen ist, ob sie als «self-fufilling prophecy» des Architekten gebaut worden sind oder als Ergebnis wirklicher Auseinandersetzung mit dem Ort und der Aufgabe.
Versuchen wir die Geburtsstunde der Vision im Entwurfsprozess festzustellen, kommen wir wohl zu keinem klaren Ergebnis. Vielmehr schärft sich das Bild im Kopf des Architekten zusehends. Doch klärt es sich vollends oder bleibt da ein Rest Unschärfe? Und ist diese Unschärfe ein Makel, ein Beleg für das nicht zu Ende Gedachte? In Wettbewerben und Verkaufsbroschüren sind die Gebäude heute stets der Wirklichkeit voraus, denn sie sind schon sichtbar, bevor sie auch nur bewilligt sind. Doch die virtuelle Realität ist formbar und meist fehlt den Bildern am Ende doch das gewisse Etwas, das die Wirklichkeit ihnen voraus hat.
Mit dieser Wirklichkeit in all ihren Facetten setzte sich die Jury auseinander auf ihrem Weg zur Kür der besten drei Architekturfotografien im Rahmen des «Swiss Photo Award 2011». Am 20. Mai findet im Rahmen der Nacht der Schweizer Fotografie die Preisverleihung und Ausstellungseröffnung statt, die mit Spannung erwartet werden darf.