Reicher Fundus
Inge Beckel
22. Mai 2014
Nottfall- und Intensivstation Kantonspital Frauenfeld. Umbau und Erweiterung 2006 – 2008. Bild: Leonardo Finotti
Eine neu eröffnete Reihe von Monografien weltweit tätiger Architekten startet mit einem Band eines Aarauer Büros. Und bringt damit die während der vergangenen Jahre grundsätzlich virtuell, da online agierende Plattform von PSA Publishers wieder zum Handfesten, zum haptisch greifbaren Buch – doch wird's das Buch auch als eBook geben.
Das Alltägliche und Unspektakuläre entsprächen ihrer Haltung vom kontextuellen Bauen, sagt Beat Schneider im Interview mit Michael Hanak. Mit seinem Bruder Thomas führt er das in Aarau beheimatete Architekturbüro Schneider & Schneider. Das Gespräch zwischen den Architekten und Hanak kann in der Publikation Schneider & Schneider. Reaktion, Kreationrespektive – da zweisprachig deutsch und englisch – Reaction, Creation nachgelesen werden. Es handelt sich um den ersten Band einer damit neu etablierten Reihe von World-Architects – die World-architects-monographs –, der morgen Abend in Aarau Vernissage feiert.
Erste Gespräche zu einer derart angelegten Reihe mit Monografien zeitgenössischer internationaler Architekten haben der Kunst- und Architekturhistoriker Michael Hanak aus Zürich sowie der Gestalter Jürg Schönenberger vom ebenfalls in Zürich ansässigen Büro Bernet & Schönenberger vor rund drei Jahren geführt. PSA Publishers, ihrerseits mit Sitz in Zürich, waren dabei der ideale Partner.
Denn PSA steht für Profiles of Selected Architects, also – bildhaft oder handfest gesprochen – für einen riesigen Kasten mit «Karteikärtchen» unzähliger Architekturbüros besonders aus Europa, aber auch aus Nord- sowie Südamerika, aus Asien und Australien. So betreiben PSA Publishers 18 Plattformen in 19 Ländern: Während in den USA je eigene Plattformen an der West- respektive der Ostküste und ein Gesamtportal aufgeschaltet sind, vereint jenes von Scandinavian Architects die vier Länder Norwegen, Schweden, Finnland und Dänemark. Und während in den USA von West bis Ost Englisch die einzige offizielle Sprache ist und entsprechend die Plattformen ebenfalls in englischer Sprache gehalten sind, lässt sich etwa das Portal der Japaner neben Englisch auch in Japanisch aufrufen.
Michael Jung, Beat Schneider, Thomas Schneider, Thomas Blöchliger, Michael Hanak. Bild: Sabine Dreher
Also, dies der Verlag, der die neue Architekten- und hoffentlich auch Architektinnenreihe aufnimmt. Inskünftig sind mehrere Bücher pro Jahr geplant, neue Projekte seien bereits in der Vorbereitungsphase, aber noch nicht spruchreif, meint Hanak. Und Hans Demarmels von PSA Publishers ergänzt, man sei auch im Gespräch mit amerikanischen und japanischen Interessierten. Die Bücher sollen stets zweisprachig erscheinen, neben dem globalen Englisch jeweils auch in der Landessprache.
Mensa und Medienzentrum alte Kantonsschule Aarau, 2007 – 2008. Bild: Leonardo Finotti
Offenheit und Verlässlichkeit
Nun aber zu Band 1: Wie einleitend zitiert, ist das Büro Schneider & Schneider nicht eines des lauten Töne. Obwohl sie heute zahlreiche Neubauten realisieren, sind Schneider & Schneider mit Um- und Erweiterungsbauten gross und schweizweit bekannt geworden. Wenn sie ein Haus weiterbauten, gehe es nie darum, das neu Hinzugefügte oder das Erneuerte spektakulärer als das Alte zu machen, vielmehr wollten sie aus dem Vorhandenen das neue Projekt entwickeln, meint denn auch Partner Michael Jung. Hierbei gehören sie nun der Generation von Architekten an, die das Alte mit dem Neuen entweder verschmelzen lassen oder letzteres einfach neben das Alte stellen, ohne die Schnittstelle gross mit einer Fuge oder einem anderen Trennelement zu zeigen. Ein Einfamilienhaus in Aarau aus den 1960er-Jahren haben sie entsprechend im Erdgeschoss grundsätzlich belassen und darauf eine einfache Holzkiste gestellt. Oder bei einem Seniorenzentrum in Küttigen wurde das Schrägdach einseitig telquel verlängert und der damit recht grosse Hausteil über einen Innenhof belichtet.
Das Büro hat in den vergangenen Jahren stets rund 40 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gezählt und in den 17 Jahren seit Gründung rund 80 Bauprojekte ausgeführt. Die Akquisition läuft mehrheitlich über Wettbewerbe. Neben Michael Jung ist Thomas Blöchlinger ein weiterer Partner, überdies hat das Büros drei Associés.
Wohn- und Geschäftsgebäude Herzoghaus, Aarau, 2006. Bild: Leonardo Finotti
Drei des Viererteams aus Gründern und Partnern haben an der ETHZ bei Flora Ruchat-Roncati diplomiert. Im Gegensatz zu anderen Lehrstühlen hätten dort durchaus unterschiedliche Haltungen und Ideen Platz gehabt, meint Jung. Noch heute sei ihnen beim Entwerfen Offenheit sehr wichtig. Zudem würden sie sich formal erst spät festlegen. Sie verfolgten keine dogmatische Umsetzung einer spezifischen Architekturrichtung, führt Beat Schneider weiter aus, vielmehr hätten sie Freude an der Vielfalt. Darin wird wohl einer der Gründe ihres Erfolgs eines doch beachtlich mitarbeiterstarken Büros und der grossen Anzahl gewonnener Wettbewerbe liegen. Ein anderer Grund mag im Umstand liegen, dass sie neben der Projektierung und der Ausführungsplanung auch die Bauleitung abdecken. Das sei ein bewusster Entscheid gewesen, denn der Austausch zwischen Planung und Ausführung sei für alle ein Gewinn. Dies wird auch von der «anderen» Seite geschätzt, wie Markus Friedli in seinem Beitrag im Buch lobend erwähnt.
Friedli ist als Kantonsbaumeister des Kantons Thurgau sinngemäss Bauherr beim Vorhaben im Kantonsspital in Frauenfeld. Er lobt die Professionalität des Aarauer Büros und meint weiter, es seien auch die menschlichen sowie mentalen Ressourcen eines Architekten, die über das Gelingen – oder Misslingen – bei der Realisierung eines Projekts mitentscheiden.
Kasernenparking, Aarau, 2008 – 2009. Bild: Leonardo Finotti
Abschliessend kann man sagen, dass das Buch – mit den ausgewählten Projektdarstellungen über Bilder und Pläne sowie Innen- wie Aussensicht – exemplarisch die hohe hiesige Bauqualität repräsentiert. Damit verspricht die neu gestartete Reihe insgesamt einen reichen Fundus guter Bauten einmal aus der Schweiz, später auch dem Ausland. Schliesslich geht es hier weniger um Spitzenleistungen Einzelner, sondern um das so genannt alltägliche Bauen in allen Bereichen unseres Lebens: vom Wohnungsbau über das Gesundheitswesen bis zum Geschäftsbau. Wichtig ist weiter, dass nicht nur gute Projekte ausgearbeitet, sondern ebenso sorgfältig umgesetzt werden, so dass sie sowohl für Benutzende wie Betrachtende zur Bereicherung eines spezifischen Orts werden.