Grosse Ehre und ein wichtiges Signal: Bundesverdienstkreuz für Werner Sobek
Elias Baumgarten
28. Mai 2022
Werner Sobek erhielt das Bundesverdienstkreuz am 17. Mai aus den Händen von Theresia Bauer. Sie ist die Wissenschafts- und Kunstministerin des Bundeslandes Baden-Württemberg. (Foto: René Müller)
Der deutsche Ingenieur und Architekt Werner Sobek setzte sich schon für nachhaltiges Bauen ein, als dem Thema noch kaum Beachtung geschenkt wurde. Heute ist er ein weltweit gefragter Experte – mit guten Beziehungen in die Schweiz.
In Deutschland gewinnt das Thema ökologische Nachhaltigkeit im politischen und gesamtgesellschaftlichen Diskurs schon seit Jahren kontinuierlich an Bedeutung. Das Bewusstsein bei vielen Menschen wächst, allmählich fordern Bauherren umweltfreundliche Gebäude ein. Dennoch wurde die Rolle des Bauwesens im politischen Diskurs lange übersehen. Dabei ist die Bauindustrie mehr als jeder andere Sektor für die Erderwärmung und den ungezügelten Verbrauch von Ressourcen verantwortlich und erzeugt noch dazu kolossale Mengen an Abfall. Seit Kurzem aber tut sich auch auf politischer Ebene etwas in unserem nördlichen Nachbarland: Beispielsweise hat die neue Bundesregierung endlich ein eigenes Bauministerium geschaffen – mit dessen Besetzung durch Klara Geywitz (SPD), die vormals keine Affinität zum Fachgebiet zeigte, sind freilich viele deutsche Expert*innen noch unglücklich. Und nun erhält mit Werner Sobek der deutsche Experte für nachhaltiges Bauen das Bundesverdienstkreuz. Das ist ein positives Signal. Auch solche Zeichen sind wichtig, um den Diskurs zu intensivieren und die Bevölkerung für die Bedeutung der Baubranche beim Meistern der Klimakrise zu sensibilisieren.
Am Forschungsbau NEST in Dübendorf verwirklichte Werner Sobek zusammen mit Dirk E. Hebel und Felix Heisel 2018 das Modul Urban Mining and Recycling (UMAR). Es ist noch immer in Betrieb. (Foto: Zooey Braun)
Werner Sobek, dem die Ehrendoktorwürde der TU Graz und der TU Dresden verliehen wurde, setzt sich schon seit vielen Jahren für umweltfreundliches Bauen ein. Bereits im Jahr 2007, also vor anderthalb Dekaden, war er Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Heute ist der Verein Europas grösstes Netzwerk für zukunftsfähiges Bauen und zählt über 1500 Mitgliedsorganisationen. Und Sobek, dessen 1992 gegründetes Büro inzwischen weltweit aktiv ist, wird nicht müde, seine Botschaft zu verbreiten: Kürzlich ist der erste Band seiner Trilogie «non nobis. über das Bauen der Zukunft» erschienen. Darin äussert sich der Professor eindringlich zum Zustand des Bauwesens, schreibt aber auch über dessen Potenzial, bei der Bewältigung des Klimawandels zu helfen und zum friedlichen Zusammenleben der Menschen auf der Erde beizutragen. Sein Ziel ist es, einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs über nachhaltiges Bauen zu entfachen. Denn Architekturschaffende und Ingenieure allein können keine positive Veränderung bewirken. Sie sollen, so fordert Sobek, die Debatte etwa mit Soziolog*innen und Ökonom*innen suchen. Wegen der extremen Nachfrage ist auch die zweite Auflage des Buches bereits vergriffen. Eine dritte soll im Sommer erscheinen.
non nobis. über das Bauen in der Zukunft. Band 1
Werner Sobek
215 x 225 Millimeter
292 Seiten
114 Illustrationen
ISBN 9783899863697
avedition
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Als Lehrer versucht Werner Sobek, der 1994 in Stuttgart die Nachfolge von Frei Otto angetreten hat, seine Studierenden für umweltfreundliches Bauen und den wohlüberlegten Einsatz von Ressourcen zu begeistern. Er unterrichtete nicht nur in Stuttgart, wo er 2000 das Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruktion gründete, sondern auch am IIT in Chicago und in Harvard. Und auch Ausstellungen gehören für ihn fest zur Vermittlungsarbeit: Ab dem 1. Juni dieses Jahres zeigt er im Architekturzentrum des Stadtmuseums Düsseldorf 17 Thesen über das Bauen von morgen.
Ein wichtiges Betätigungsfeld ist für Sobek schliesslich auch die Forschung. Gemeinsam Dirk E. Hebel und Felix Heisel realisierte er am Forschungsgebäude NEST in Dübendorf das Modul Urban Mining and Recycling (UMAR). Dort werden Erkenntnisse über die Wiederverwertbarkeit von Baustoffen gewonnen. Das ist wichtig, weil die Bauwirtschaft bekanntlich, wie eingangs erwähnt, für eine enorme Menge an Abfall verantwortlich ist. Dies zu ändern, hätte ökologisch einen grossen Nutzen. Sobeks Ziel ist, dass die Kreislaufwirtschaft im Bauwesen umfassend ans Laufen kommt – nicht nur bei einzelnen Produkten oder Vorzeigeprojekten.
Das Modul UMAR wird am NEST montiert. (Foto: Wojciech Zawarski)
In der Wohneinheit wurden etliche neu entwickelte Bauprodukte aus «Abfall» verbaut, deren langfristige Performance nun getestet wird. (Foto: Zooey Braun)
Foto: Zooey Braun
Zu hoffen bleibt, dass die hohe Auszeichnung für Werner Sobek tatsächlich weiteren Schwung in den Diskurs bringt und es gerade in Deutschland nicht bei Absichtserklärungen und Symbolpolitik bleibt – wie dort leider sonst sehr oft. Und auch der Schweiz würde eine Ausweitung der Debatte guttun. Denn viele Laien wissen hierzulande nach wie vor nur wenig über die Bedeutung des Bauens für den Klimaschutz.
2020 erschien unsere Serie D-A-CH-Gespräche, bei der Architekturschaffende aus Deutschland, Österreich und der Schweiz über drängende Fragen unserer Zeit diskutierten. Friederike Kluge und Meik Rehrmann (Alma Maki, Countdown 2030) sprachen mit Verena Konrad (Vorarlberger Architektur Institut) und Martin Haas (haascookzemmrich STUDIO2050, Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen) über eine menschen- und umweltfreundliche Baukultur.
Die Schweizer Olympia-Heldin Marlen Reusser, eine sehr politische Sportlerin, glaubte, dass es auch Zwangsmassnahmen bedarf, um die Klimakrise zu lösen. Man könne nicht einfach auf eine Werteverschiebung hoffen, sagte sie uns im Interview.
Jenny Keller traf Werner Sobek anlässlich des Global LafargeHolcim Award 2018 zum Interview.