Zwischen Subversion und Mainstream

Vécsey Schmidt Architekt:innen
3. Oktober 2024
Der Basler Popclub Kuppel im Nachtigallenwäldeli, einem Park auf einem früheren Industriegelände (Foto: © Pati Grabowicz, Vécsey Schmidt Architekt:innen)
Frau Vécsey, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Dass die Popszene anfänglich subversiv war, durch ihren bahnbrechenden Erfolg aber rasch zum Mainstream wurde, erzeugte einen inneren Widerspruch. Dieses Sowohl-als-auch hat uns interessiert; es ist eine Gratwanderung, die wir mit dem Bau für den Popclub Kuppel zum Ausdruck bringen wollten.

Auch der Umstand, dass diese staatlich bisher wenig geförderte Musikrichtung von der privaten Stiftung Kuppel einen hochwertigen Club finanziert bekommen hat, ist ausserordentlich und widerspiegelt erneut die Thematik der Widersprüchlichkeit.

Blick auf den Haupteingang des Clubs (Foto: © Pati Grabowicz, Vécsey Schmidt Architekt:innen)
Windfang beim Haupteingang (Foto: © Pati Grabowicz, Vécsey Schmidt Architekt:innen)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Allein schon der Titel des Wettbewerbs «Neue Kuppel Basel» hat uns inspiriert, den Bau einer Kuppel ins Auge zu fassen, wenn auch dieser Entscheid ein gewisses Risiko barg, weil diese Form nicht gerade dem gängigen Bild eines Popclubs entspricht. Doch die Vorteile lagen für uns auf der Hand: die ikonenhafte Erscheinung, die kontextuelle Einbindung durch die geometrische Verwandtschaft mit der Gestaltung des umliegenden Parks und den Brückenbögen des in unmittelbarer Nähe stehenden Viadukts sowie die Zentrierung und somit räumliche Fokussierung auf den Konzertraum unter dem Dach. Wir waren überrascht, dass wir als einziges Wettbewerbsteam einen Kuppelbau vorgeschlagen hatten.

Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Der Standort für den Konzertclub ist ein ehemaliges Industriegebiet, wo einst Bauten der industriellen Werke Basels standen, von denen heute nur noch wenige erhalten sind. Auch wenn sich unser Kuppelbau als Solitär mit achteckiger Grundfigur und schirmartigem Dach trotz seiner Verschlossenheit recht geschmeidig in die Parkanlage einfügt, war uns wichtig, dass er eine gewisse Rauheit und Robustheit ausstrahlt, die einerseits auf den industriellen Charakter des Ortes anspielt und andererseits der Nutzung als Popclub mit lauter Musik und hoffentlich wilden Partys entgegenkommt. Und nicht zuletzt haben wir den Club im Gegensatz zum langjährigen Kuppel-Provisorium als langlebigen Bau konzipiert, was bestimmend war für seinen Ausdruck. 

Treppenaufgang zum Club (Foto: © Pati Grabowicz, Vécsey Schmidt Architekt:innen)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzenden den Entwurf beeinflusst?


Die Bauherrschaft hat mit Hartnäckigkeit an ihrer lange gehegten Vision festgehalten, einen Ort für Live-Popmusik zu schaffen. Die Pandemie traf uns mitten in der Planungs- und Ausschreibungsphase und hat das Vorhaben natürlich zwischenzeitlich infrage gestellt. Auch das Budget wurde durch die Folgen von Corona strapaziert. 

Die Erfahrenheit der Baukommission in Bezug auf die zukünftige Nutzung hat unserem Team geholfen, nebst einem räumlich und akustisch ansprechenden Gebäude auch ein funktionales Haus zu erstellen. Der während der Planungsphase geäusserte Wunsch der Bauherrschaft, das benachbarte Grundstück an den Tramgleisen ebenfalls zu bebauen, brachte viele Synergien mit sich. So konnten wir den Kuppelbau und das Nebengebäude unterirdisch miteinander verbinden und eine viel effizientere Haustechnik realisieren. Oberirdisch blieb es jedoch bei zwei charakterlich sehr unterschiedlichen Häusern, die von ihrer Gegensätzlichkeit profitieren.

Blick von der Galerie in den Konzertraum (Foto: © Pati Grabowicz, Vécsey Schmidt Architekt:innen)
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


In weiten Teilen entspricht der fertiggestellte Bau dem Entwurf aus dem Wettbewerb. Doch damals hatten wir noch die Vision, ein Haus-im-Haus als fast reine Backsteinkonstruktion zu erstellen, mit hölzernen Ausbauten im Innern. Dies war aus vielen Gründen nicht umsetzbar – statische, akustische und bauphysikalische Hürden sowie nicht zuletzt fehlendes Know-how in der Schweiz im Backsteinkuppelbau brachten uns von diesem Weg ab. Gebaut wurde letztlich eine Hybridkonstruktion aus Backstein, Beton und Holz, was nur bedingt sichtbar ist aufgrund diverser Verkleidungen auf dem Dach und im Innern.

Bandprobe auf Bühne (Foto: © Pati Grabowicz, Vécsey Schmidt Architekt:innen)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Den Wettbewerb haben wir 2019 bearbeitet. Seither hat sich in der Debatte ums Bauen viel verändert! Trotz grosser Sensibilisierung für ökologische Fragen konnten wir auf Ebene der Baumaterialien nicht alles erreichen, was uns vorschwebte. Zum Beispiel scheiterte der Versuch, mit Re-Use-Stahl zu arbeiten, an der Verzögerung eines Gebäuderückbaus. Dafür haben wir uns gefreut, das äussere Dach mit anspruchsvoller Geometrie aus Holzbaufertigteilen konstruieren zu können.

Wir nehmen neuerdings eine Tendenz zu einer leichten, fast papierenen Erscheinung von Bauten wahr. In diesem Fall wäre dergleichen aber reine Applikation gewesen. Im Gebäude sind die Dezibelwerte naturgemäss sehr hoch, draussen soll davon aber möglichst wenig zu spüren sein. Das erforderte bauphysikalisch vor allem eines: dichte Masse. Die massive Erscheinung des Clubs ist direkter Ausdruck dieses Umstands. 

Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Das ausgewogene Spiel von Materialien, die Schall schlucken und absorbieren oder ihn auf eine gute Art reflektieren, ist essentiell für das Gebäude. So kann die Nachbarschaft gut schlafen, während das Klangerlebnis bei Anlässen in der Kuppel von hoffentlich berauschender Qualität ist.

Situation (© Vécsey Schmidt Architekt:innen)
Grundriss 1. Obergeschoss (© Vécsey Schmidt Architekt:innen)
Längsschnitt (© Vécsey Schmidt Architekt:innen)
Standort
Nachtigallenwäldeli 10, 4051 Basel
 
Nutzung
Pop-Konzertclub (oberirdisch) und Bandproberäume (im Untergrund)
 
Auftragsart
Studienauftrag 2019, 1. Preis
 
Bauherrschaft
Stiftung Kuppel (Hauptfinanzierung) und Kanton Basel-Stadt (finanzielle Beteiligung an den Bandproberäumen)
 
Architektur
Vécsey Schmidt Architekt:innen, Basel
Robert Müller (Projektleiter), Julian Roth, Sybille Schmitt, Camille Schneider, Juri Schönenberger, Ólafur Jónsson, Rahel Hardy, Ian Ritter, Luzian Choffat, Christoph Schmidt und Susanne Vécsey
 
Fachplaner 
Tragwerksplaner: ZPF Ingenieure AG, Zürich, und Vécsey Schmidt Architekt*innen, Basel 
Baumanagement: Anderegg Partner AG, Basel
Heizungs- und Lüftungsplaner: eicher+pauli, Liestal
Kälteplaner: Rolf Gysin, Lausen
Elektroplaner: HKG, Pratteln
Sanitärplaner: Sanplan, Lausen
Brandschutzplaner: Saftey focus, Pratteln
Akkustikplaner: WSDG  AG, Basel
Solarplaner: HKG, Pratteln
Geologie: Kiefer & Studer, Reinach 
Geometer: Jermann Ingenieure AG, Arlesheim
Gastroplanung: VA Plan, Ettingen, und Profiplan AG, Kloten
Bühnenlicht: Konnex AG, Allschwil
Bauphysiker: Gartenmann Engeneering AG, Basel
Gastroberatung: Desillusion, Basel 
Lichtplanung: luxwerk GmbH, Malterdingen, Deutschland
 
Fertigstellung
2024
 
Gesamtkosten BKP 1–9
CHF 14 Mio. inklusive Nebengebäude Volume 3
 
Gebäudevolumen
9595 m³ (gemäss SIA 116)
 
Energiestandard
Kein Standard, aber Lüftung mit Wärmerückgewinnung und gekoppelte Haustechnik in den Volumen 2 und 3
 
Fotos
Pati Grabowicz, Basel 

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