Wohnidylle mit Industrieflair
von Ballmoos Architektur
15. August 2019
Anbau und Haupthaus von Süden (Foto: Tom Licht)
Ein altes Haus am Fabrikkanal in Winterthur hat das Büro von Ballmoos Architektur in enger Zusammenarbeit mit der örtlichen Denkmalpflege erweitert. Der Bau wurde früher teilweise gewerblich genutzt, bevor er in ein reines Wohnhaus umgewandelt wurde. Er steht in einem alten Dorfkern im Süden der Stadt. Anina von Ballmoos beantwortet unsere Fragen.
Ort J. C. Heer-Strasse 2, 8406 Winterthur
Nutzung Einfamilienhaus
Auftragsart Direktauftrag
Architektur von Ballmoos Architektur GmbH, Winterthur: Anina von Ballmoos
Massgeblich beteiligte Unternehmen GU für Gebäudehülle und Rohbau, Holzbau: Robert Schaub AG
Jahr der Fertigstellung 2019
Fotos Tom Licht
Der Bestandsbau ist ein industrielles Zeugnis: Er diente einst als Färbereigebäude, später war darin eine chemische Reinigung untergebracht. Das Haus steht am Fabrikkanal in Winterthur, aber inmitten eines alten, bäuerlich geprägten Dorfkerns. Schon immer war es etwas Besonderes und sein Kontext sensibel. Weil es für die Besitzerfamilie zu klein geworden war, sollte es räumlich erweitert werden, sich aber auch weiterhin gut in die Umgebung einfügen. Dazu kamen erhebliche planerische Herausforderungen: der Denkmalschutz, Bauen in der Kernzone, der Gewässerabstand, ein Altlasteneintrag und ein Eintrag im Vogelschutzkataster.
Das Haus steht am Fabrikkanal, der parallel zur Töss verläuft. (Foto: Tom Licht)
Nordfassade (Foto: Tom Licht)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?Der Neubau und der alte Teil fügen sich zu einem neuen Ganzen zusammen. Sie stehen in einem Dialog. Von aussen wirken sie gegensätzlich, im Innern wechselt man laufend zwischen den beiden Welten hin und her. Beide Gebäudeteile haben je ihre eigene Charakteristik – sie sind gegensätzlich und gehören doch zusammen. Das alte Haus, das aus Stein gebaut wurde, zeigt im Innern viel Holz. Der Neubau ist hingegen eine Holzkonstruktion, die inneren Oberflächen sind aber meist mineralisch. Die Anpassungsfähigkeit, die das Haus über all die Jahre bewiesen hat, soll auch in Zukunft gegeben sein. Deshalb wurde bereits vorgesehen, dass das Einfamilienhaus später in zwei horizontale Einheiten unterteilt werden kann.
In der Küche (Foto: Tom Licht)
Wohnraum (Foto: Tom Licht)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?Die Geschichte des Hauses, die verschiedenen Nutzungen, die Lage am Fabrikkanal und der Kontext des alten Dorfkerns haben den Entwurf geprägt. Die Materialisierung und das Farbkonzept wurden auf die gebaute Umgebung, das Wasser und die alten Bäume umher abgestimmt. Da der alte Keller bei Hochwasser oft überflutet wird, wurde beim Neubau auf ein Untergeschoss verzichtet. Der Stauraum wurde als oberirdischer Schopf angebaut – genau wie es bei den Bauernhäuser in der Nachbarschaft üblich ist.
Das Projekt ist in enger Zusammenarbeit mit der Bauherrschaft und der Denkmalpflege der Stadt Winterthur entstanden. Es wird den Bedürfnissen der Bauherrschaft und den Anforderungen der Denkmalpflege in gleichem Masse gerecht.
Im Obergeschoss (Foto: Tom Licht)
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?Von Anfang an war klar, dass der Anbau aus Holzelementen gefertigt werden würde. Er sollte das Haupthaus nicht konkurrenzieren, daher leichter und auch «weniger beständig» wirken. Dass Holz ein nachhaltiger, lokal verfügbarer Baustoff ist, war ebenso attraktiv wie die kurze Bauzeit. Viele gestalterische Entscheidungen, besonders hinsichtlich der vorvergrauten, sägerauhen Deckleistenschalung der Fassade, wurden gemäss der Wünsche der Bauherrschaft getroffen. Genau wie die alte Klinkerfassade, soll auch die Holzschalung in Würde altern können.