Fünfgeschossiger Hybridbau
Raumgeflecht
Galli Rudolf Architekten
12. Oktober 2017
Gefasster Hof als Oase und Lärmpuffer. Bild: Ralph Feiner
Galli Rudolf Architekten haben kürzlich den ersten Baustein des neu entstehenden Quartiers «Erlenmatt Ost» auf dem Areal des ehemaligen Güterbahnhofes der Deutschen Bahn in Basel fertiggestellt. Andreas Galli stellt sich unseren Fragen.
Nutzung Fünfgeschossiger Hybridbau mit 12 Wohnungen, Kinderkrippe, Gewerbeflächen, begleitetes Wohnen und Arbeiten der Institution Abilia
Ort Signalstrasse 23, 25, 25A, 4058, Basel
Auftragsart Studienauftrag auf Einladung
Bauherrschaft Stiftung Habitat, Rheingasse 31, 4058 Basel | abilia begleiten wohnen leben, Münzgasse 3, 4001 Basel (Mieterausbau Wohngruppen und Beschäftigungsräume)
Architektur Galli Rudolf Architekten AG ETH BSA, Zürich,
Mitarbeitende: Nadine Gordon (Projektleitung), Andreas Kissel, Lars Henze, Markus Göttlicher, Claudio Schiess, Emmanuel Diserens, Sandra Pellkofer, Mojca Rebec
Fachplaner Bauingenieur: Rapp Infra AG, Freilager-Platz 4, 4142 Münchenstein | Holzbauingenieur: Pirmin Jung Ingenieure AG, Grossweid 4, 6026 Rain | Elektroingenieur: Mettler + Partner AG, Am Wasser 55, 8049 Zürich | HLKS-Ingenieur: Grünberg und Partner AG, Nordstrasse 31, 8021 Zürich |
Akustik/Bauphysik: Gartenmann Engineering AG, St. Jakobs-Strasse 54, 4052 Basel | Brandschutz: Pirmin Jung Ingenieure AG, Grossweid 4, 6026 Rain
Bauleitung Bauleitung: Proplaning AG, Türkheimerstrasse 6, 4009 Basel
Jahr der Fertigstellung 2017
Gebäudevolumen 23'664 m3 SIA 416
Kubikmeterpreis 706 CHF/m3 BKP 2
Energiestandard Minergie-P-ECO-Standard, Nachhaltigkeitskonzept REO Stiftung Habitat
Massgeblich beteiligte Unternehmer Baumeister: Rofra Bau AG, Aesch BL | Holzbau: Häring & Co AG, Eiken AG
Fotos Ralph Feiner, Malans
Ansicht Schwarzwaldallee. Bild: Ralph Feiner
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Das Besondere der Aufgabe war das reichhaltige Nutzungsprogramm mit vielen individuellen Anforderungen für ein überschaubares Bauvolumen. Das Programm beinhaltet betreutes Wohnen und Arbeiten für geistig und körperlich behinderte Menschen mit Werkstätten, Wäscherei und eigener Küche für die Wohngruppen, eine Kindertagestätte mit vier Gruppen und dazugehöriger Gastroküche, einen Gemeinschaftsraum für das Quartier, Gästezimmer, Gewerberäume, und Wohnen mit einem Anteil Alterswohnen.
Zum Programm gehört ebenfalls, dass die Wohnungsgrundrisse sehr knapp geschnitten sein mussten. Pro Person dürfen maximal 30m2 Wohnfläche beansprucht werden. Im Wissen, dass körperlich Behinderte häufig mehr Raum beanspruchen, war dies eine besondere Herausforderung.
Es galt, dem Anliegen der Stiftung Habitat Rechnung zu tragen, ein gesellschaftlich nachhaltiges Gebäude zu erstellen, das auch soziale Aufgaben erfüllt.
Offener Gartenhof. Bild: Ralph Feiner
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?
Das Aufeinandertreffen vieler verschiedener Nutzungen inspirierte uns dazu, Räume und Orte anzubieten, die nicht dem Raumprogramm zu entnehmen waren, die aber für das Zusammenleben im Alltag für Anwohner und Besucher eine Bereicherung sein können. So entstanden die Brücken vor den Wohnungen als gemeinsame Spiel-, Begegnungs- und Aufenthaltsorte und die Höfe als begrünte, aussenliegende Oasen vor den verglasten Empfangsräumen des Gewerbes und als gefasste Aussenräume der Behindertenwerkstätten. Die klammerförmigen Erschliessungswege, die raumhaltige Wände bilden, sind ebenfalls solch spezielle Orte.
Klammerartige Aussenerschliessung. Bild: Ralph Feiner
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?
Den Entwurf beeinflusst hat die enorme Lärmimmission der stark befahrenen Schwarzwaldallee in Kombination mit dem vorgegebenen «REO» (Regelwerk Erlenmatt Ost) – einer Art Gestaltungsplan, der den Mantel der winkelförmigen Grundfigur, die Geschossigkeit und die maximale Ausnützung vorgab. Weil die Wohnungen wegen der Lärmbelastung nur auf die strassenabgewandte Seite belüftet werden konnten, mussten wir uns etwas einfallen lassen, wie mit diesen Randbedingungen umzugehen ist. Daraus haben wir die Höfe und die spezielle Erschliessung entwickelt.
Küche zum Hof. Bild: Ralph Feiner
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?
Der Entwurf wurde nicht mehr stark beeinflusst. Die definitive Materialisierung hingegen wurde intensiv mit der Bauherrschaft und den heutigen Nutzern diskutiert. Die Stiftung Habitat wollte genau wissen, wie und ob sich das Gebäude auch im Alltag und im Unterhalt bewährt. Ihr lag auch viel an der Stimmung, die das Gebäude und die Räume ausstrahlen.
Balkon Gartenhof. Bild: Ralph Feiner
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?
Bedeutende Projektänderungen gab es nur wenige. Wir erhielten schon für den Wettbewerb ein sehr detailliertes Raumprogramm.
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein?
Alle unsere Gebäude haben ihre eigene Bedeutung. Der Bau ist sicher einer, der eine innere Kraft hat, die glücklicherweise bei der Umsetzung nicht von äusseren Einflüssen aufgeweicht wurde.
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?
Mit einem Nachhaltigkeitskonzept und der Zielsetzung des Minergie-P-ECO-Standards setzte die Bauherrschaft den Entwurf und die Materialisierung prägende Vorgaben. So wird zum Beispiel die maximale Energiebezugsfläche pro Person aufgrund der aussen liegenden Erschliessungen und der kompakten Wohnungen minimiert. Materialien und Konstruktionsweisen wurden neben ökologischen Kriterien auch bezüglich einer optimierten Lebensdauer gewählt. So setzten wir an der lauten, verkehrsseitigen Fassade sowie im Sockelbereich Sichtbeton ein, während wir die hofseitigen ruhigen, geschützten Seiten mit einer hinterlüfteten Holzfassade ausführten.
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?
Auch wenn der Sichtbeton auf den ersten Blick sicher auffällt, ist es nicht nur dieser Werkstoff, der den Bau «trägt». Wir sind der Ansicht, dass gerade bei diesem Gebäude aussen wie innen die Kombinationen ausgewählter Materialien für den Ausdruck und die Atmosphäre des Gebäudes entscheidend sind.