Offene Wohnfigur über drei Geschosse
Ruumfabrigg
21. Mai 2020
Foto: Douglas Mandry
Das Büro Ruumfabrigg hat ein altes Wohngebäude in Bergdietikon umgebaut. Nina Cattaneo und Pascal Marx erklären, wie sie das Gebäude entkernt und neu gefüllt haben.
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?
Der leere Raum, den wir bereits als Modell gebaut hatten, faszinierte uns. Das Haus wirkt leer viel grösser und heller, als man das hätte im Ursprungszustand erahnen können. Uns war wichtig, dass einerseits diese Grosszügigkeit spürbar und andererseits der Akt des Füllens, Teilens und Raumbildens sichtbar bleibt. Wir begannen Strukturen, Wände und Volumen ins leere Modell zu stellen, testeten Proportionen und Sichtverbindungen. Wir versuchten das starre Raster des Bestandes – mit geringen Raumhöhen und kleinen Fenstern – aufzubrechen, ohne dessen wohnliche Qualitäten darüber zu verlieren. Wir suchten nach einem Raum, der offen ist und zugleich Geborgenheit vermittelt.
Modellfoto: Ruumfabrigg
Baustellenfoto: Douglas Mandry
Baustellenfoto: Ruumfabrigg
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?
Weniger der Ort, sondern das Haus selbst und dessen Konstruktion haben neben den konstruktiven und gestalterischen Entscheidungen auch den Prozess beeinflusst. Dadurch, dass die Achsen der Konstruktion erst im leeren Zustand gesetzt werden konnten, entwickelten wir konzeptionelle Details, die je nach Lage und Position auf den Bestand reagieren konnten. Dies ermöglichte uns einen stringenten Umgang mit diesem in verschiedenen Detaillierungsgraden, welche somit auch wieder die gestalterische Lösung beeinflussten.
Foto: Douglas Mandry
Foto: Douglas Mandry
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?
Die Bauherrschaft besitzt das Gebäude für noch etwas mehr als 60 Jahre im Baurecht. Ihre Aufgabe an uns war ursprünglich eine rein ökonomische: Im angetroffenen Zustand konnte sie das Haus nicht mehr vermieten, es musste investiert werden. Das Ziel war Profit. Zu Beginn diskutierten wir über Programm und Ausnutzung, Gewerbe oder Kleinwohnungen schienen – vor allem aufgrund des Standorts – lukrativer als ein Einparteienhaus. Schlussendlich konnten wir die Bauherrschaft mit einem Konzept überzeugen, bei dem zugunsten der Wohnqualität auf Geschossfläche verzichtet wird.
Foto: Douglas Mandry
Foto: Douglas Mandry
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein?
Das Lokale als Bezugspunkt ist für uns ein wichtiger Aspekt. Wir beschäftigen uns mit dem vor Ort Vorgefundenen und dessen verborgenen Potenzialen. Bestehende Qualitäten werden gesucht, interpretiert, gestärkt und in Beziehung gesetzt. Dabei geht es uns nicht um einen regionalen Baustil, sondern um die am Ort existierenden Besonderheiten, die durch das Bauen aufgewertet werden sollen. Dieser Umbau steht für unser Verständnis vom Vorgefundenen. Mit unserem Eingriff wollten wir respektvoll weiterbauen, dem Ort eine neue Zeitschicht hinzufügen. Die von uns angefügten Elemente dienen dazu, ein neues Ganzes zu schaffen.
Foto: Douglas Mandry
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?
Es ging uns um die Echtheit, ums sichtbare Fügen der Materialien und um deren haptische Qualitäten. Die bestehenden Aussenwände behielten ihre statische Funktion und wurden nicht nur zur Kulisse degradiert. Die neue Konstruktion besteht auch tatsächlich aus tragenden Balken mit nichttragenden Füllungen. Eigentlich irritierend, dass man dies mit Nachdruck sagen muss, aber in der heutigen Bauindustrie ist es nicht selbstverständlich, dass das, was man sieht, auch wirklich da ist. Nur die Holzverbindungen sind nicht so elaboriert, wie man es sich wünschen würde. Aber die sieht man nicht, man weiss es nur.
Grundriss Erdgeschoss
Grundriss Obergeschoss
Grundriss Dachgeschoss
Querschnitt
Umbau «Höckler»
Standort
Höckler 60, 8962 Bergdietikon
Nutzung
Wohnen, Einfamilienhaus
Auftragsart
Direktauftrag
Bauherrschaft
privat
Architektur
Ruumfabrigg Architekten GmbH ETH SIA, Obstalden und Zürich
Nina Cattaneo, Pascal Marx
Jahr der Fertigstellung
2019
Massgeblich beteiligte Unternehmer
Conrad Holzbau AG, Mellingen
Emil Fischer AG, Dottikon
Füglistaller Architekten AG, Rudolfstetten
Hauri AG, Staffelbach
Mario Casanova AG, Dietikon
Moser Küchen AG, Appenzell Steinegg
RoccoPace Color Designer GmbH, Dottikon
Sandmann AG Naturofloor, Malans
Fotos
Douglas Mandry
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