Haus 36
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- Stuttgart, Germany
- Any
- 2014
Erstmals in Deutschland entsteht ein Gebäude, bei dem die komplette sichtbare Hülle aus konstruktivem Dämmbeton besteht. Nicht nur die Außenwände, sondern auch das gefaltete Dach wurden fugenlos aus diesem innovativen Baustoff ohne zusätzliche Wärmedämmschichten errichtet. Dipl.-Ing. Architekt Matthias Bauer hat mit seinem Team des Architekturbüros MBA/S die Möglichkeiten des Materials ausgelotet.
Besondere Orte erfordern besondere Lösungen. Es galt, das Gebäude einerseits vor Einblicken von oben abzuschirmen, andererseits gut zu orientieren und die Aussicht auf ein Gartengebiet an der Westseite zu nutzen. Matthias Bauer, Gründer von MBA/S, hat mit seinem Team einen monolithischen Baukörper entworfen, der fast an einen Kristall erinnert. Eine massive, kantige Schale interpretiert die Hanglage, schützt die Innenräume gegenüber der Straße und öffnet sich zur anderen Seite vollständig in Richtung Grün. Aus der Ferne betrachtet fügt sich das Haus mit seinen triangulierten Dachschrägen harmonisch in das gewachsene Wohngebiet ein. Je näher man dem Gebäude kommt, desto stärker tritt seine ortsbezogene Geometrie, sein besonderer Charakter in den Vordergrund und wird die spannende Beziehung von Innen- und Aussenraum deutlich.
Bei solch einem architektonischen Ansatz möchten Dach und Wand formbar wie Lehm aus demselben Material entstehen, so dass sich vor Ort fugenlos geschalter Sichtbeton anbot. Wie ein Fels, wie ein steinerner Findling steht das Bauwerk nun auf dem Grundstück. Der speziell entwickelte Dämmbeton macht es dabei möglich, auf zusätzliche Wärmeschutzschichten zu verzichten – und auf all die damit verbundenen ökologischen und bauphysikalischen Probleme. Dass Dämmbeton in dieser Weise Verwendung findet, ist eine Novität ohne Vorbild in Deutschland. Einen monolithisch gegossenen Wand- und Dachaufbau aus diesem Material hat es bislang nicht gegeben.
Seine besonders hohe Wärmeschutzwirkung erzielt das natürliche massive Baumaterial dabei auf zweierlei Weise: Zum einen wird Glasschaumschotter statt Kies als Zuschlagstoff eingesetzt, zum anderen enthält die Zementmatrix einen Luftporenanteil von 20 Prozent. Bei einer Wandstärke von 45 Zentimetern sorgt der diffusionsoffene Baustoff für ein hervorragendes Raumklima mit optimalen Feuchtigkeitsausgleich – wie in einem alten Steinhaus bleibt es im Winter angenehm warm und im Sommer angenehm kühl. Das statische Konzept einer freitragenden gefalteten Schale, die nur auf zwei Wandscheiben lagert, erfordert einen konstruktiven Stahlbeton, der als LC 8/9 mit normal zweilagiger Mattenbewehrung aufgrund der monolithisch ausgebildeten Wand/Dach-Struktur bereits ausreichend bemessen war. MBA/S, die Tragwerksplaner von RFR und der Werkstofflieferant Technopor haben mit dem Betonwerk TBR so lange geforscht und gestestet, bis sie einen optimalen Kompromiss aus allen Anforderungen gefunden haben. Tragwerk und Dämmung sind nun in nur einer Schicht vereint.
Die massiven Wände vermitteln Atmosphäre, Schutz und Geborgenheit, die großen Öffnungen Licht und Weite. Rohbau ist hier Ausbau - nirgendwo klingt es hohl, wenn man gegen eine Fassade klopft, alle Oberflächen sind haptisch und warm. Die sägerauhe Bretterschalung sorgt aussen wie innen für eine anregend lebendige Oberflächenstruktur - ähnlich einer Natursteinwand. Die natürlich helle und edle, leicht silbrige Note entsteht resultiert aus der Mischung mit Weißzement.