Nichtstun in Bochum
Auf eine Art hat Saunieren auch ein soziales Moment, irgendwo zwischen Gemeinschaft, Gelassenheit und Gegenüber. Wer beim Schwitzen lieber alleine ist, sollte sich die «One Man Sauna» von den Münsteranern modulorbeat anschaffen.
Unabhängig aller derzeitigen Wetterkapriolen haben wir bei Erscheinen dieses Artikels bereits Juli, so gesehen also Hochsommer. Der nächste Winter aber kommt bestimmt, und so ist jetzt der beste Zeitpunkt, sich zumindest baulich schon einmal auf die kalte Jahreszeit einzustellen. Wer genug Platz im Garten hat, könnte das mit der einem ganz besonderen Gartenhäuschen tun: der «One Man Sauna», entwickelt von modulorbeat aus Münster, die sich stets im Spannungsfeld von Architektur, Stadt und Landschaft bewegen, nicht selten mit einem konzeptionellen Augenzwinkern. Die Idee zu dem Projekt ist entsprungen aus dem internationalen Stadt- und Kunstfestival in Bochum «Das Detroit-Projekt», das Fragen stellt und Antworten sucht zur Zukunft der Stadt, der Arbeit und der Kunst. Zu diesem Zweck haben sich vier die europäische Opel-Städte Bochum, Zaragoza, Ellesmere Port / Liverpool und Gliwice verbunden. Gemeinsam mit ihnen möchte das Projekt der industriellen Abwanderung trotzen und zukunftsweisende Alternativen für Bochum und das Ruhrgebiet entwickeln. Entstanden sind dabei 20 sehr unterschiedliche Kunstprojekte, bei denen jeder Künstler, jede Künstlerin und jedes Kollektiv seinen eigenen Weg wählte. Sie alle stellen sich der Tatsache, dass Menschen in diesen Regionen, die einst vom Autobau lebten, zunehmend ihre Arbeit verlieren. Gemeinsam wollen sie einen engagierten Impuls geben, der die Stadt und ihre Bewohner ermutigt, das öffentliche Leben und ihre Zukunft aktiv zu gestalten.
Innerhalb dieses thematischen Rahmens setzte sich modulorbeat mit den Grenz- und Übergangsräumen der Stadt Bochum als einem Teil des urbanen Systems Ruhrgebiet auseinander und entwickelte Fotografien typischer Randzonen Bochums mit einer Textsammlung zum Thema «Nichtstun”. Daraus entstand die Idee der One Man Sauna, ein 7,50 m hoher Turm auf einer Fabrikbrache in Bochum mit Saunazelle, Tauchbecken und Ruheraum samt Himmelblick nach Art von James Turrells Skyspaces. Alle drei Funktionen sind in drei Ebenen übereinander organisiert, verbunden mit einfachen Stegleitern. Den Eingang auf mittlerer Ebene erreicht man ebenfalls per (aussenliegender) Stegleiter.
Nicht nur der Ort jedoch stellt einen direkten, fast schon beklemmenden Bezug zum Thema Stadt her, auch das Bauwerk selbst. Es besteht aus aufeinander gestapelten Betonfertigteilen (Fa. Mönninghoff), wie sie eigentlich beim Bau von Schachtanlagen im Strassenbau verwendet werden. Der normale Stadtbewohner erkennt sie nur an den typischen Deckeln im Boden. Solche Schächte können mitunter recht gross sein, gross genug also, um damit Räume zu bilden. Für die One Man Sauna haben modulorbeat den Beton dafür schwarz bzw. dunkelgrau ein- bzw. durchgefärbt. Durch den hohen Wassereindringwiderstand des verwendeten Betons eignen sich die Bauteile hervorragend für das Tauchbecken auf der untersten Ebene. Die Saunazelle besteht aus Holz, ebenso die Liege im Ruheraum, die quasi die Decke der Saunazelle bildet. Ganz oben lässt sich der Saunaturm durch zwei Fenster öffnen, sodass hier den Himmel des Ruhrgebiets als Ausschnitt betrachtet werden kann. Wer sich übrigens vom Namen des Projekts nicht angesprochen fühlt: Die «One Man Sauna» kann ganz bestimmt auch als «One Woman Sauna» genutzt werden. Die Architekten jedenfalls legen sich in diesem Punkt nicht explizit fest, sind aber sicherlich einverstanden.
Die One Man Sauna war bis zum 5. Juli offen für Besucher und soll laut Architekten an einem anderen Ort wieder aufgestellt werden, der noch nicht bekannt ist. Wer jedoch für sich selbst eine One Man Sauna erwerben möchte, kann sich jederzeit an modulorbeat wenden.
One Man Sauna
Bochum
Hersteller
Mönninghoff GmbH & Co. KG
Senden, D
Kompetenz
Bestonfertigteile Aufbauschacht und Topfschacht
eingefärbter Beton
Architekt
modulorbeat ambitious urbanists & planners
Münster, D
Team
Marc Günnewig, Jan Kampshoff & Sebastian Gatz
Auftraggeber und Bauherr
Schauspielhaus Bochum, Urbane Künste Ruhr
Bochum, D
Tragwerksplanung
B+G Ingenieure Bollinger und Grohmann GmbH
Frankfurt/Main, D
Fertigstellung
2013
Fotografie
Roman Mensing
modulorbeat
Mönninghoff
Projektvorschläge
Sie haben interessante Produkte und innovative Lösungen im konkreten Projekt oder möchten diesen Beitrag kommentieren?
Wir freuen uns auf Ihre Nachricht!
Die Rubrik «gefertigt» enthält ausschliesslich redaktionell erstellte Beiträge, die ausdrücklich nicht von der Industrie oder anderen Unternehmen finanziert werden. Ziel ist die unabhängige Berichterstattung über gute Lösungen am konkreten Projekt. Wir danken allen, die uns dabei unterstützen.