Wie geht es weiter mit dem Pfauen?
Susanna Koeberle
23. de febrer 2022
Die Fassade des Pfauen soll erhalten bleiben. Doch was wird aus dem Theatersaal? (Foto: Andreas Graber)
Am 7. Februar 2022 informierte der Verwaltungsrat der Schauspielhaus Zürich AG über unterschiedliche Szenarien. Feststeht, dass der Pfauen instand gesetzt werden muss. Das Vorhaben sorgt für Kontroversen.
Der Pfauen ist eine Bühne mit einer bewegten Geschichte. Während der Zeit des Nationalsozialismus waren viele jüdische Emigranten Teil des Ensembles. Obwohl sie die Zürcher Kultur mit ihrem Engagement bereicherten und mutig gegen die Barbarei antraten, wurde ihnen das Leben in der Schweiz nicht leicht gemacht. Das ist eine komplexe und traurige Geschichte, die schon verschiedentlich aufgearbeitet wurde. Letztes Jahr geschah das etwa durch eine Ausstellung des Vereins Omanut, der im Kriegsjahr 1941 gegründet wurde. Zwei der Gründerväter des Kulturvereins, namentlich Kurt Hirschfeld und Leopold Lindberg, waren am Schauspielhaus tätig. Ob sich diese Geschichte nun direkt in der Bausubstanz manifestiert und diese deswegen erhalten werden muss, ist eine kontroverse Frage. Theater lebt von Veränderung. Eine offene Debatte begrüssen die aktuellen Intendanten bewusst, denn wohin Heimlichtuerei führen kann, sieht man beim Kunsthaus-Debakel. Allerdings deuten die verhärteten Fronten darauf hin, dass sich die definitive Entscheidung noch etwas hinauszögern könnte.
Der Bau und die Blockrandbebauung sind denkmalgeschützt. Deswegen soll auch die äussere Erscheinung auf jeden Fall erhalten bleiben. Der Theatersaal mit seiner klassischen Guckkastenbühne entspricht hingegen nicht mehr den Anforderungen an ein modernes Theater, so zumindest die Haltung der am Schauspielhaus tätigen Menschen, allen voran der Bühnentechniker*innen. Anfang Februar wurden an einer Medienorientierung die verschiedenen Varianten Bestandssanierung, Sanierung mit kleinen Eingriffen sowie umfassende Erneuerung präsentiert, wobei letztere für den Verwaltungsrat die präferierte Lösung darstellt. Auch Salome Grisard, Architektin und Verwaltungsrätin, umriss nochmals alle Optionen und sprach sich für die umfassende Erneuerung aus. Dazu gehört auch der Abriss des historischen Theatersaals. Dieser geht auf das Jahr 1889 zurück und wurde sukzessive erweitert und modernisiert. Der Lehrstuhl Konstruktionserbe und Denkmalpflege der ETH Zürich argumentiert seine Haltung gegen den Abriss folgendermassen: «Der Pfauen in Zürich bietet exemplarisch wie selten die Möglichkeit, die Geschichte des Theaterbaus am Bauwerk selbst wie in den Schichten einer archäologischen Stätte abzulesen». Mehrere Professor*innen plädieren für eine denkmalverträgliche Lösung für Theaterschaffende.
Medienkonferenz des Verwaltungsrates am 7. Februar (Foto: Sabina Boesch)
Die kulturgeschichtlichen, bauforscherischen und denkmalpflegerischen Gründe sind das eine, das andere ist die Realität der Theaterschaffenden. Unter den Gegnerinnen des Abrisses befinden sich allerdings auch drei ehemalige Schauspielhausintendanten sowie mehrere Schauspieler*innen und Regisseurinnen; verschiedene Protagonist*innen der Zürcher Kultur haben sich zum Komitee «Rettet den Pfauen» formiert – der Auftritt kommt für mich ehrlich gesagt eher populistisch daher. Die Argumente der Beteiligten sind durchaus vernünftig, zumal mit dem Schiffbau bereits weit modernere Bühnen als der Pfauen zur Verfügung stehen. Auch das Zürcher Publikum, das man doch eher als konservativ bezeichnen muss, scheint an der «plüschigen» Atmosphäre des Saals zu hängen. Veränderungen sind eben auch ungemütlich.
Nur nostalgische Vergangenheitspflege zu betreiben, ist aber keine Lösung. Es muss möglich sein, ohne zu werten, in die Zukunft zu schauen und dabei sachlich zu bleiben. Was bedeutet nun ein «zukunftsfähiger Betrieb»? Es geht dabei nicht nur um die technischen Abläufe, die es zu optimieren gilt, sondern auch um Qualität für das Publikum. Viele Plätze sind im heutigen Saal mit Akustik- und Sichteinschränkungen verbunden. Zur geplanten Erneuerung gehört auch der Ausbau des Foyers. Letztlich wird erst der Architekturwettbewerb zeigen, wie eine konkrete Veränderung aussehen kann. Eine solche muss nicht automatisch mit Geschichtsblindheit einhergehen. Lebendige Diskussionskultur basiert auf dem Zulassen unterschiedlicher Haltungen, und dazu, diese kundzutun, sind alle Bürger*innen aufgefordert. Einseitige Empörungskultur ist eine schlechte Option.
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