Rettung eines Relikts aus dem Kalten Krieg
Manuel Pestalozzi
19. de setembre 2022
Für das futuristisch anmutende Denkmal wurden neun Meter des Gipfelaufbaus des Chadschi Dimitar abgetragen. Nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft wurde der Bau nicht mehr genutzt und dem Verfall preisgegeben. Nun soll die lädierte Kuppel des grossen Saals gesichert werden, damit ein gefahrenloser Zugang wieder möglich ist. (Foto © TU München)
1981 wurde das Buzludzha-Denkmal eingeweiht. Nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft in Bulgarien begann das Bauwerk des Architekten Georgi Stoilow zu verfallen. Nun soll die Ruine gerettet werden – mit Unterstützung aus der Schweiz.
Das Buzludzha-Denkmal steht auf dem Chadschi Dimitar, einem 1441 Meter hohen Berg im Balkangebirge im Herzen Bulgariens. In der Nähe befindet sich der Schipkapass, der in der Geschichte und für die Identität des Landes eine wichtige Rolle spielt. Der Gebirgspass war wie auch der Gipfel des Chadschi Dimitar Schauplatz entscheidender Kämpfe während der Befreiung Bulgariens von der türkisch-osmanischen Besatzung im 19. Jahrhundert. Noch heute erinnert ein steinernes Monument, in dem die Gebeine gefallener Kämpfer aufbewahrt werden, an die Schlacht.
Im Sommer 1981 weihten die kommunistischen Machthaber zur 1300-Jahr-Feier Bulgariens auf dem Berggipfel ein noch weitaus grösseres Denkmal ein. Denn neunzig Jahr zuvor war dort die Bulgarische Sozialdemokratische Arbeiterpartei gegründet worden, aus der später die Kommunistische Partei des Landes hervorging.
Gestaltet wurde das brutalistische Ensemble, das zwischen 1974 und 1981 von 6000 Arbeitern – darunter auch Häftlinge – unter billigender Inkaufnahme grosser Gefahren gebaut wurde, vom Architekten Georgi Stoilow. Es besteht aus einer schalenförmigen Halle auf Stützen mit Umgang, einem an Segel erinnernden Turm und einem 2500 Quadratmeter grossen und mit Natursteinplatten belegten Aufmarschplatz. Umgerechnet sieben Millionen Dollar soll der Bau gekostet haben, regimetreue Künstler*innen schmückten über Monate die Innenräume aus. In den Folgejahren wurden dort allerhand Veranstaltungen und Kongresse abgehalten. Auch ein Museum gehörte zu der Anlage.
Heute ist vom einstigen Glanz nicht mehr viel übrig. Das Denkmal bröckelt vor sich hin. Denn nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft im Jahr 1989 wurde die Anlage, für die eigens neun Meter des Gipfelaufbaus abgetragen wurden, geschlossen. Danach kümmerte sich lange niemand um den Erhalt des Monuments. Doch im vergangenen Jahr begann eine Gruppe von Wissenschaftler*innen unter der Leitung von Thomas Danzl, der Professor für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft an der TU München ist, gemeinsam mit ICOMOS Deutschland, einer deutschen Unterorganisation der UNESCO, und der einheimischen Buzludzha Project Foundation mit Arbeiten zum Erhalt des wichtigen geschichtlichen Zeugnisses.
Die Wiederherstellung des Prunks vergangener Tage ist dabei nicht das Ziel. «Wir erkennen das Gewordene der Ruine an, versuchen dieses in ein neues Gleichgewicht zwischen Erhalt und kontrolliertem Verfall zu bringen. Denn konservieren heisst, mit minimalinvasiven Mitteln den Zustand zu erhalten, der sich in den letzten 40 Jahren ergeben hat», erklärt Professor Danzl in einer Mitteilung an die Presse das Vorgehen. Auch Expert*innen aus der Schweiz wollen einen Beitrag zur Arbeit ihrer deutschen Kolleg*innen leisten: Wie das SRF kürzlich berichtete, wird Jonas Roters, Dozent an der Berner Fachhochschule, mit seinem Team an der Decke der grossen Halle arbeiten. Denn das erste Etappenziel besteht nun darin, die Innenräume zu sichern, sodass sie wieder gefahrlos besucht werden können. Rasch soll den Menschen vor Ort ermöglicht werden, sich mit einem noch vergleichsweise schlecht aufgearbeiteten Kapitel der Geschichte ihres Landes auseinanderzusetzen.