2020: Bauten, Menschen, Positionen
Katinka Corts, Elias Baumgarten
17. de desembre 2020
World-Architects.com
Das Jahr geht zu Ende – endlich, werden viele stöhnen. Wir möchten uns bedanken und blicken auf spannende zwölf Monate redaktioneller Arbeit zurück.
2020 ist fast vorüber – eine gute Gelegenheit, Danke zu sagen. Danke zuallererst an Sie, unsere Leserinnen und Leser, die Sie unsere Magazine auch in Zeiten gelesen haben, da Ihnen der Kopf vermutlich weniger nach architektonischen Debatten stand. Danke aber auch an alle Autor*innen und Fotograf*innen, die uns mit interessanten Texten und ästhetischen Bildern unterstützt haben. Weiter möchten wir uns bei den vielen Architekturbüros bedanken, die uns unablässig mit Hintergrundinformationen und Plänen versorgt oder zu Besichtigungen eingeladen haben. Besonders gefreut haben wir uns schliesslich über all jene, die uns in diversen Interviews mit grosser Offenheit Rede und Antwort gestanden und Position bezogen haben. Folgend finden Sie einen – zugegebenermassen recht subjektiven – Rückblick auf einige Höhepunkte in unseren deutschsprachigen Magazinen aus dem ablaufenden Jahr. Auch unsere internationale Redaktion hat 2020 noch einmal aus architektonischer Perspektive reflektiert.
ruumfabrigg, Umbau eines Wohnhauses in Bergdietikon, 2019 (Foto: Douglas Mandry)
JanuarZum Jahresbeginn sprachen Nina Cattaneo und Pascal Marx von ruumfabrigg über ihre Arbeit im Glarnerland. Wenige Tage später sollten sie es beim Foundation Award auf den zweiten Rang schaffen – den Sieg beim wichtigsten Schweizer Nachwuchspreis sicherte sich das Kollektiv TEN, studio komaba komplettierte das Podium. Überhaupt stand im Januar der Schweizer Architekturnachwuchs für uns im Fokus: Mitte des Monats besuchten wir Studio Barrus. Und am anderen Ende der Altersskala feierte Gottfried Böhm, der einzige deutsche Pritzkerpreisträger, seinen 100. Geburtstag.
Im Januar zeigten wir Angela Deubers Erstlingswerk – den Umbau eines mittelalterlichen Hauses in Stuls. (Foto: Schaub Stierli Fotografie © Archiv ADA)
FebruarIn Berlin wurde der Neubau des Springer-Verlags fertig. Wir feierten indes die Sieger der Leserwahl zum «Bau des Jahres». Sie entschieden in teils engen Abstimmungen für das Muzeum Susch (Swiss-Architects), einen Neubau von Behnisch Architekten für adidas in Herzogenaurach (German-Architects) und die Wohnüberbauung «Schöne Aussichten» von ASAP Hoog Pitro Sammer in Wien (Austria-Architects). Zur Monatsmitte feierte in Köln die Messe «digitalBAU», ein besonders interessantes Format in diesem Bereich, eine erfolgreiche Premiere. Die chinesische Architektin Zhang Xi, die zwischen Shanghai und Zürich pendelt, sprach mit uns über die Unterschiede zwischen China und Mitteleuropa. Kurze Zeit später befragten wir die deutsche Architektin Binke Lenhardt zum selben Thema. Doch auch traurige Nachrichten gab es im Februar: Ray Kappe, der eine ausgeprägte Beziehung zur Schweiz und insbesondere zum Tessin hatte, starb. Ludovica Molo, eine langjährige Weggefährtin und Freundin, würdigte ihn im Interview.
Chasper Schmidlin und Lukas Voellmy, Muzeum Susch, 2018 (Foto: Conradin Frei)
Behnisch Architekten, adidas World of Sports ARENA, Herzogenaurach, 2019 (Foto: David Matthiessen)
ASAP Hoog Pitro Sammer, Wohnüberbauung «Schöne Aussichten», Wien, 2019 (Foto: tschinkersten fotografie)
MärzZu Beginn des Monats wurde der Pritzker-Preis hochverdient an Yvonne Farrell und Shelley McNamara verliehen und das Fotomuseum Winterthur würdigte mit einer grossartigen Ausstellung die Arbeit und den Mut von Kriegsfotografinnen. Dann plötzlich traf die Corona-Pandemie Europa mit grosser Wucht – auch für unsere redaktionelle Arbeit, die fortan aus dem Home-Office erfolgte, ein wesentlicher Einschnitt. Natürlich sollte der Diskurs trotz aller Erschwernisse weitergeführt werden: Philippe Jorisch, Stefan Oeschger und Michael Metzger vom Büro JOM sprachen ausführlich über die Digitalisierung der Bauwirtschaft und die Konsequenzen für uns Architekt*innen. Aus Deutschland gab es von einer Diskussion um den richtigen Umgang mit dem baukulturellen Erbe zu berichten: Sollen die Städtischen Bühnen Frankfurt unter Denkmalschutz stehen oder können sie abgerissen und ersetzt werden?
Die Städtischen Bühnen in Frankfurt mit ihrem 120 Meter langen Foyer (Foto: Oper Frankfurt)
AprilNachdem bereits im Vormonat Vittorio Gregotti und Michael Sorkin verstorben waren, verloren wir im April Justus Dahinden. In Österreich kamen mit Laurens und Manfred Ortner zwei Avantgardisten der 1970er-Jahre zu späten Ehren und erhielten den Großen Österreichischen Staatspreis. Wir starteten unterdessen unsere D-A-CH-Gespräche zur Architektur in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zum Auftakt der Serie diskutierten Max Otto Zitzelsberger, Lilitt Bollinger und Stefan Marte über die Verfassung der Baukultur in den drei Ländern. Und die Pandemie erreichte den Architekturdiskurs: Wie können Gestalter*innen helfen? Darüber sprachen die Italiener Simone Sfriso und Raul Pantaleo mit uns.
Mit dem österreichischen Kritiker Dietmar Steiner verloren wir eine wahrlich herausragende Persönlichkeit des deutschsprachigen Architekturdiskurses, ein Vorbild. Im zweiten D-A-CH-Gespräch trafen Peter Haimerl, Sven Matt und Roman Hutter aufeinander. Ihre Themen: Das Bauen im ländlichen Raum und die gesellschaftliche Verantwortung der Architektenschaft.
Spätestens in den Sommermonaten wurden auch die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie offensichtlich. Wir interviewten einen besorgten, aber dennoch hoffnungsvollen Dr. Reinhard Pfeiffer, seines Zeichens stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe München. Passend dazu diskutierten im dritten D-A-CH-Gespräch Fränzi Essler und Walter Waldrauch, Matthias Hein sowie Sergio Marazzi über die wirtschaftlichen Aspekte des Architektenberufs.
Der Prix Meret Oppenheim ging an Barbara Baser und Eric Honegger. Nach einer Phase der relativen Beruhigung machten sich die ersten Vorboten der zweiten Corona-Welle bemerkbar. Gemeinsam mit unserem treuen Partner ComputerWorks sagten wir unseren Töggeli-Cup vorsorglich ab. Ein neuer Termin im kommenden Jahr steht noch nicht, denn heute ist die Lage in der Schweiz sehr angespannt und die Zukunft ungewiss.
gmp Architekten, Flughafen BER, 2005–2020 (Foto: Marcus Bredt)
Oscar Niemeyer, Kantinenerweiterung der Kirow- und Heiterblick-Werke, Leipzig, 2017–2020 (Foto: Margret Hoppe / Sebastian Stumpf)
SeptemberIm Spätsommer gab es einige Gründe zur Freude: In Berlin wurden die Arbeiten am Grossflughafen BER endlich abgeschlossen – und das Ergebnis überzeugt durchaus. In Leipzig wurde der Aufbau an einem ehemaligen Kesselhaus im Industriegebiet Plagwitz von Oscar Niemeyer fertig, während in St. Gallen und Chur die ersten Bachelorstudent*innen der neu aufgelegten Architekturstudiengänge der beiden Hochschulen ihre Diplome in Empfang nehmen konnten. Und für uns besonders erfreulich: Die traditionelle Wahl zum «Bau des Jahres» (Swiss-Architects) ging live: Mit ComputerWorks holten wir Ihre zehn Favorit*innen im Zürcher Landesmuseum auf die Bühne. Trotz strenger Schutzmassnahmen war die Stimmung gelöst und der Raum – im Rahmen des Erlaubten freilich – maximal gefüllt. Ernster ging es – wenigstens wenn man wollte – beim Zurich Film Festival zu und her, wo Dokumentationen gezeigt wurden, die nachdenklich stimmten. Mit dem vierten D-A-CH-Gespräch griffen wir indes das Thema Digitalisierung wieder auf.
Unsere Referent*innen in Leserichtung: Chasper Schmidlin und Lukas Voellmy, Bertram Ernst, Barbara Wiskemann und Michèle Mambourg (nicht im Bild), Nicola Baserga, Christian Inderbitzin, Lilitt Bollinger, Daniel Zamarbide, Fabio Gsell und Roula Moharram (Fotos © Nadia Bendinelli, inedito)
Oktober und NovemberIm Herbst verloren wir den herausragenden Designer Enzo Mari und seine Partnerin, die Kritikerin Lea Vergine. Beide verstarben kurz nacheinander an den Folgen einer Infektion mit dem Coronavirus. Wenig später mussten wir mit dem deutschen Architekten Wolfgang Döring von einem weiteren grossartigen Gestalter und Menschen Abschied nehmen. In Frankfurt eröffnete das Jüdische Museum von Staab Architekten – ein schönes Projekt, das den Austausch zwischen den Kulturen stimulieren soll, zugleich aber mit seinen baulichen Schutzmassnahmen auch auf den in Deutschland noch immer und letzter Zeit sogar wieder verstärkt grassierenden Antisemitismus hinweist. In der Schweiz liessen unterdessen die Pläne für ein drittes Roche-Hochhaus von Herzog & de Meuron die Emotionen hochkochen, denn dem Neubau sollen historisch wertvolle Gebäude weichen. Die Wellen hochschlagen liess auch Altrevolutzer Wolf D. Prix mit provokativen Aussagen.
Staab Architekten, Jüdisches Museum Frankfurt, 2020 (Foto: Norbert Miguletz © Jüdisches Museum Frankfurt)
Architekturbüro Hanno Schlögl, Naturpark Haus, Längenfeld, 2019 (Foto: Günter Richard Wett)
Pedevilla Architects mit willeit architektur, Servicegebäude am Kreuzbergpass, Sexten, 2020 (Foto: Gustav Willeit)
DezemberAnfang des Monats verstarb der Tiroler Architekt Hanno Schlögl – architektonisch, vor allem aber menschlich ein weiterer herber Verlust. Wir durften sein letztes und vielleicht bestes Projekt, das Naturpark Haus in Längenfeld im Ötztal, kurz darauf noch als «Bau der Woche» zeigen, auch wenn er es leider nicht mehr schaffte, unsere Fragen selber zu beantworten. Zum Jahresabschluss sprachen die Südtiroler Brüder Armin und Alexander Pedevilla über ihre Architektur, die im deutschen Sprachraum wie auch in Italien immer mehr Freunde gewinnt. Und in der letzten Runde unserer D-A-CH-Gespräche stand die Klimakrise im Fokus: Martin Haas, Verena Konrad sowie Friederike Kluge und Meik Rehrmann diskutierten miteinander.
Unser ganzes Team wünscht Ihnen eine erholsame und trotz allem schöne Weihnachtszeit. Haben Sie ein glückliches, erfolgreiches und vor allem gesundes 2021!