Neues Prunkstück
Inge Beckel
4. abril 2019
Der Neubau bei Nacht mit leuchtendem Baldachin. Bild: Christian Kathriner und Martin Wittwer
Seit Anfang April 2019 ist das zur Gemeinde Kriens-Obernau gehörende Gasthaus Hergiswald wiedereröffnet. Der Neubau stammt vom Büro Gion Caminada aus Vrin, unterstützt mitunter durch die freiraumarchitektur GmbH aus Luzern und Conzett Bronzini Partner aus Chur; Bauherrschaft ist die Albert Koechlin Stiftung aus Luzern, die den Wallfahrtsort im Jahre 2002 im Baurecht übernommen hat.
Die Substanz des ehemaligen Gasthauses Hergiswald in Kriens-Obernau war in einem derart schlechten Zustand, dass es abgerissen werden musste. Dessen Fundamente mit dem alten Keller aber wurden erhalten. Darauf stützen sich das neue Restaurant und der darüber liegende Saal. Die fünf ihrerseits darüber liegenden Gastzimmer sowie eine Wirtewohnung werden durch die äusseren Stützen getragen, die das alte Fundament fassen.
Das Ensemble. Bild: Christian Kathriner und Martin Wittwer
Der Neubau. Bild: Christian Kathriner und Martin Wittwer
Diese Doppelung eines Hauses über dem Haus kann als eine spielerische Referenz an die benachbarte Kirche gelesen werden, die, zusammen mit dem Gasthaus und einem Sigristenhaus, ein national geschütztes Ensemble darstellen. Dort – bei der Kirche aus dem siebzehnten Jahrhundert – steht die kleine Loretokapelle, ein kunsthistorisches Prunkstück, gänzlich innerhalb der sie umfassenden grösseren Wallfahrtskirche. Hier – beim neuen viergeschossigen, mit einem Satteldach eingedeckten Holzbau – stellt eine blaue Decke im Saal des ersten Obergeschosses das Prunkstück dar.
Die blaue Decke – einem Baldachin vergleichbar – verantwortet der Künstler Christian Kathriner, zusammen mit der Stoffdesignerin Susanne Hissen. Erneut handelt es sich um ein subtiles Spiel mit der benachbarten Wallfahrtskirche. Denn während deren Decke aus 324 gemalten Bilder-Tafeln besteht – einem Bilder-Himmel zu Ehren der Mutter Gottes –, zeigen die Bilder des blauen Baldachins irdische Hände: einen Händedruck zum Gruss oder Finger, die sich berühren. Diese Bilder sind textil und wurden mittels einer alten Webtechnik hergestellt. Es ist ein Seidendamast, mit dem die Deckenpaneele bespannt wurden. Was heisst, es kam keinerlei Druck zum Einsatz.
Das neue Gasthaus steht exemplarisch für eine Tradition des Weiterbauens: Als Baukörper zurückhaltend ins umliegende, geschützte Ensemble des Wallfahrtsortes integriert, präsentiert es sich gleichzeitig als etwas Besonderes: als etwas Aussergewöhnliches an diesem speziellen Ort.
Ausschnitt aus der Decke des ersten Obergeschosses. Bild: Christian Kathriner und Martin Wittwer
Situationsplan. Bild: Gion Caminada, Vrin.
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