Wohnhochhaus am Gleisfeld

Armon Semadeni Architekten
18. gennaio 2024
Am Ende der Flurstrasse markiert der Letziturm den stadträumlichen Übergang zum Gleisfeld. (Foto: Roman Keller)
Herr Semadeni, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Die städtebauliche Entwicklung ausgehend vom Bahnhof Altstetten entlang der Hohlstrasse war bereits im Gange, als der Studienauftrag ausgeschrieben wurde. Die Bauparzelle des Letziturms bildet den städtebaulichen Abschluss der Wohnzone am Übergang zum östlich gelegenen Areal der SBB-Werkstätten. Ausserdem markiert sie den Auftakt der Flurstrasse, die als wichtige Nord-Süd-Verbindung in den Stadtkörper von Altstetten hineinführt. Gleichzeitig galt es, die denkmalgeschützte Elsässerhalle auf dem Gelände in das städtebauliche Ensemble zu integrieren. Wir mussten eine schlüssige Programmierung für das Baudenkmal und das Erdgeschoss des Neubaus finden. 

Die historische Elsässerhalle wurde erhalten. Die beiden Türme der neuen Anlage vermitteln durch ihre jeweilige Ausrichtung und Auskragung zwischen dem Strassenraum der Hohlstrasse und der stadträumlichen Weite des Gleisfelds. (Foto: Roman Keller)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Die räumliche Weite des Gleisfelds auf der nördlichen Seite und die Hohlstrasse als wichtige städtische Ein- und Ausfallsachse auf der Südseite bilden starke städtebauliche Strukturen, deren Präsenz und morphologische Konstanz uns fasziniert haben. Sie sollten sich im neuen Hochhaus abbilden und für die Bewohnerinnen erlebbar gemacht werden. Die beiden rund 70 Meter hohen Hochpunkte, welche über einem siebengeschossigen Sockel emporragen, vermitteln über ihre jeweilige Ausrichtung und Auskragung über die Elsässerhalle hinweg in den Strassenraum der Hohlstrasse und über den Gleisuferweg zur stadträumlichen Weite des Gleisfelds. Auf der oberen Stadtebene befinden sich Gemeinschaftsräume und die hausöffentliche Dachterrasse.

Das Gleisfeld als urbane Freifläche bildet eine zentrale Identifikationsquelle für die Bewohnerinnen. Zudem prägt es die Architektur und die städtebauliche Setzung des Letziturm wesentlich mit. (Foto: Roman Keller)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Nebst den erwähnten städtebaulichen Faktoren, die zur Entwicklung des Letziturms beitrugen, soll dieser in seinem vielfältigen Ausdruck die Geschichte und DNA des Ortes an den Gleisanlagen weitertragen und gleichzeitig den neuen Bewohnerinnen ein spezifisches Zuhause bieten. Mit der zeitgenössischen Interpretation eines Materialkataloges, den man so bei den industriell geprägten Nutzbauten in der Nachbarschaft vorfindet, entstand eine Basis zur Konstruktion des neuen Gebäudes. Dabei dienten uns die bestehenden Werkhallen auf dem Areal der SBB-Werkstätten mit ihrer Materialcollage aus Beton, Glas, Stahl und Eternit als ideologische und atmosphärische Referenz für den Letziturm.

Diese Wohnung im 7. Obergeschoss besitzt einen rohen Ausbaustandard. (Foto: Roman Keller)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Mit einer relativ klaren Programmierung seitens der Bauherrschaft SBB Immobilien wurde das Projekt Letziturm auf Basis der Ergebnisse des Studienauftrags mit einem vielfältigen Wohnungsspiegel, der Grosswohnungen genauso umfasst wie Kleinsteinheiten, weiterentwickelt und realisiert. Zu lebhaften Diskussionen führte die Bedeutung der hausöffentlichen Räume und Freiräume im 7. Obergeschoss, die schlussendlich wie von uns ursprünglich angedacht umgesetzt werden konnten.

Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Im Rahmen der Projektentwicklung wurden die beiden Hochpunkte um jeweils ein zusätzliches Geschoss aufgestockt – dies war verglichen mit dem Entwurf aus dem Studienauftrag die einzige bedeutende Projektänderung.

Die hausöffentliche Dachterrasse mit angrenzenden Gemeinschaftsräumen bildet die zweite Stadtebene. (Foto: Roman Keller)
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten Ihres Büros ein?


Unser Büro beschäftigt sich seit seiner Gründung mit der Konzipierung und Realisierung von gleisnahen Siedlungen und Gebäuden in Schweizer Städten. Begonnen hat dies mit der Projektentwicklung Stöckacker Süd in Bern, es folgten Bauten wie das Hochhaus Franklinturm in Zürich-Oerlikon oder die Wohn- und Geschäftshäuser am Bahnhof Aarau. Beim Letziturm hatten wir die Möglichkeit, sämtliche Schwierigkeiten und Chancen auszuloten, die diese besonderen Stadtflächen bieten.

Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Mit dem DGNB-Label «Gold» erfüllt der Letziturm alle Dimensionen der Nachhaltigkeit. Wichtig ist vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit besonders auch die Erstellungsenergie. Beim Letziturm konnten wir diese gering halten, indem wir eine dauerhafte, aber materialschonende Hochhausfassade entwickelten, für die wenig graue Energie aufgewendet werden musste. In puncto Energieerzeugung ist der Letziturm aber noch Kind einer anderen Zeit; allerdings würde ich in diesem Fall provokativ sagen, zum Glück. Denn so konnten wir trotz der geringen Dachflächen eines Hochhauses die sozialräumlich wichtige Dachterrasse realisieren. Und dennoch: Mit dem heutigen Kenntnisstand und angesichts der sich verändernden Bewilligungspraxis wäre die Projektentwicklung in Bezug auf die Produktion von eigenem Strom eine andere gewesen.

Eine Wohnung im Turm mit über Eck ausgerichteten raumhohen Fenstern (Foto: Roman Keller)
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Die Entwicklung der Hochhausfassade aus Eternit mit teilweise raumhohen Fenstern war definitiv eine der grossen Herausforderungen dieser Projektentwicklung. Zu Beginn stand die gestalterische Absicht, dieses einfache, aber sehr dauerhafte und in der Schweizer Tradition verwurzelte Material für die Umsetzung einer schlanken, materialarmen und trotzdem dauerhaften Fassade anzuwenden. Von der Konzipierung über die Planung bis hin zur Ausführung durch die Unternehmen war dies aber ein herausforderndes Projekt, das an alle Beteiligten höchste Anforderungen stellt.

Schwarzplan (© Armon Semadeni Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (© Armon Semadeni Architekten)
Grundriss 4. Obergeschoss (© Armon Semadeni Architekten)
Grundriss 7. Obergeschoss (© Armon Semadeni Architekten)
Grundriss 12. Obergeschoss (© Armon Semadeni Architekten)
Schnitt (© Armon Semadeni Architekten)
Bauwerk
Letziturm, Zürich-Altstetten
 
Standort
Hohlstrasse 440, 8048 Zürich
 
Nutzung
Wohnen
 
Auftragsart
Studienauftrag mit Präqualifikation, 1. Preis
Mandat Generalplanung und Architektur
 
Bauherrschaft
SBB Immobilien, Development, Zürich
 
Architektur
Armon Semadeni Architekten GmbH, Zürich
  • Projektleitung: Martin Dennler
  • Mitarbeit: Elina Helten, Miriam Stümpfl, Matthias Willems, Jonas Krieg, Yiying Shao, Leon Backwinkel, Marcus Hartmann, Eleonora Dalcher, Désirée Brockhage, Karolina Bonowicz und Paulina Malag
  • Wettbewerb: Dominik Weber, Christina Chantzara, Julianne Gantner und Marc Jeitziner
 
Fachplaner
Baumanagement: Fuhr Buser Partner BauOekonomie AG, Zürich
Landschaftsarchitekt: Mettler Landschaftsarchitektur, Gossau
Bauingenieur: Synaxis AG, Zürich
Haustechnik HLKS: Haerter & Partner AG, Zürich
Elektroplanung: Walter Salm, Meier & Partner AG, Zürich
Fassadenplanung: GKP Fassadentechnik AG, Aadorf
Brandschutz: Gartenmann Engineering AG, Zürich
Bauphysik: Kopitsis Bauphysik AG, Wohlen
Signaletik: Hinder Schlatter Feuz Grafik, Zürich
Unternehmer: Allreal Generalunternehmung AG, Glattpark (Opfikon)
 
Jahr der Fertigstellung
2022
 
Gebäudekosten BKP 2
CHF 70.0 Mio.
 
Gebäudevolumen
83'400 m³
 
Fotos
Roman Keller, Zürich

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