Einfamilienhaus Boflue
Biologisch modern
31. enero 2013
Andreas Müller Architekten haben kürzlich ein Einfamilienhaus in Erlenbach fertiggestellt. Andreas Müller wählt drei Zeichnungen und vier Fotos und beantwortet unsere acht Fragen.
Ansicht Südost
Woran liegt das Besondere dieser Bauaufgabe?
Die Bauaufgabe behandelt eine der Kernaufgaben des Bauens, nämlich das Wohnen der Familie – der Grundzelle der menschlichen Gesellschaft. Das Besondere liegt darin, aus dem Gewöhnlichen etwas Besonderes zu machen.
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?
Inspiration ist vielleicht ein zu grosses Wort. Der Gedanke hinter dem Entwurf war, ein Haus zu bauen, das die atmosphärische Qualität eines Gebäudes des späten 19. Jahrhunderts mit den Vorzügen eines heutigen Gebäudes verbindet. Die 19. Jahrhundert-Bauten sind weitgehend stahlfrei gebaut mit Holzbalkendecken und diffusionsoffenen Wänden, während moderne Gebäude ab den Zwanzigerjahren fast nur noch mit Stahlbetondecken und immer grösser werdenden Glasflächen gebaut sind. Das vorliegende Haus ist eine Mischform aus diesen beiden Konstruktionstypen.
Situation
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?
Die nähere Umgebung ist sehr heterogen bebaut und weist noch einen Bestand von Bauten des beginnenden 20. Jahrhunderts mit teilweise sehr schönen Volumen auf mehr oder weniger quadratischen Grundrissen auf. Als zweite Ebene waren es wie bei sehr vielen Projekten die baurechtlichen Gegebenheiten, die den Entwurf bestimmten. Die Abstandsvorschriften, die eine entweder-oder-Bestimmung enthielten, erlaubten zwei Typen: entweder ein sehr schmales langes Haus, oder ein annähernd quadratisches Haus. Wir haben uns mit unserem Entwurf für denjenigen Typ entschieden, der das Quartier einmal geprägt hat. Die dritte Ebene ist die hervorragende Aussicht, die dazu geführt hat, im Wohngeschoss die ganze Front zu verglasen und die Sicht auf den See freizugeben.
Terrasse, Aussenaufgang
Inwiefern hat die Bauherrschaft den Entwurf beeinflusst?
Wir hatten das Glück, dass die Bauherrschaft sich sehr stark mit dem Projekt identifiziert und alles immer wieder hinterfragt hat, auch im Hinblick auf die Kosten. Dadurch haben wir jeden Projektteil immer wieder mit Detailvarianten überprüft und umgearbeitet, bis die am Ende gebaute Lösung gefunden war. Wie immer sieht am Schluss alles selbstverständlich aus, doch war es ein weiter Weg, bis das Erschliessungssystem und die Details in der gebauten Form vorlagen. Der Kostendruck zwang uns zur Vereinfachung und Konzentration auf das Wesentliche, was das Projekt gestärkt hat.
Ansicht Südwest
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?
Ja, der Eingang und das Entrée waren im Vorprojekt im Untergeschoss neben der Garage platziert. Das erwies sich für das Erschliessungssystem des Hauses als nicht vorteilhaft. Deshalb wurde eine Aussentreppe eingeführt und der Eingang ins Erdgeschoss verlegt. Die Fassade des Obergeschosses wollten wir ursprünglich in kleinen Aluminiumschindeln ausführen, was aber an den Kosten scheiterte.
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein?
Das Gebäude gliedert sich ziemlich nahtlos in die Reihe der kleinen Wohnbauten ein, die wir bis jetzt realisieren konnten. Es war immer diese Mischung aus biologischer Konstruktion und corbusianischem Gedankengut, die den Entwürfen Pate stand. Dass die Häuser alle sehr verschieden aussehen, ist auf die Gestaltungsvorschriften, die das jeweilige Grundstück kontaminierten, zurückzuführen.
Grundriss Erdgeschoss
Beeinflussen aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?
Im Generellen nein. Die primären Gestaltungselemente sind immer Folge der Anordnung im Grundriss und im Schnitt. Wir arbeiten nach dem Prinzip «form follows function» bis ins Detail. Und wenn es eine Beeinflussung gab, dann im ausschliessenden Sinne. Es wäre zum Beispiel möglich gewesen, das Gebäude ein wenig grösser zu bauen, indem zwei der Aussenwände um ein paar Grad schiefwinklig gebaut worden wären. Darauf haben wir bewusst verzichtet und streng rechtwinklig gebaut. Für uns braucht es schon starke Gründe, um vom rechten Winkel abzukommen.
Querschnitt
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?
Mit Sicherheit der Sichtbeton. Sichtbeton hat eine Absolutheit, Stärke und Selbstverständlichkeit, sodass er aus gestalterischer Sicht fast ohne Alternative dasteht. Aus baubiologischer Sicht hingegen macht Sichtbeton alles andere als Sinn. Deshalb haben wir den Sichtbeton dort eingesetzt, wo er seine Stärke ausspielen kann, im Unter- und Erdgeschoss. Dort kann die Aussenwand berührt und beschädigt werden, dort benötigt die Aussenwand den grössten Widerstand und die grösste Stärke. Was weiter oben folgt, ist ganz anderer Natur. Dort wechselt die Konstruktionsart zu einer baubiologisch hochwertigeren Ausführung mit Holzbalkendecken und diffusionsoffenen Aussenwänden. Die Einheitlichkeit des Gebäudes erreichen wir mit einer vorvergrauten Holzfassade, die mit dem Sichtbeton optisch korreliert.
Wir freuen uns über Ihre Anregungen und Kritiken!
Kellertreppe
Einfamilienhaus Boflue, Erlenbach
2012
Erlenbach ZH
Auftragsart
Direktauftrag
Bauherrschaft
Christine Tschannen und Werner Faes, Erlenbach
Architektur
Andreas Müller Architekten, Zürich
Projektleiter: Andreas Müller
Mitarbeiterinnen: Cristina Cobo, Anna Steffen Müller
Fachplaner
Bauingenieur: Marti+Dietschweiler AG, Männedorf
HLS-Ingenieur: Beag Engineering, Winterthur
Elektroingenieur: Phase Grün GmbH, Weisslingen
Bauphysik: Steigmeier GmbH, Baden
Fotos
Patrik Fuchs
Anna Steffen Müller (Bild Terrasse)