Neubau Restaurant «Alpenblick» Stiftung Uetendorfberg
Gerahmte Aussicht
8. de maig 2014
Büning-Pfaue Kartmann haben kürzlich den Anbau für ein neues Restaurant oberhalb von Uetendorf fertiggestellt. Astrid Kartmann wählt vier Zeichnungen und sechs Fotos und beantwortet unsere fünf Fragen.
Südostansicht, vom Tal her gesehen, mit der offenen Loggia
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Uns hat die Situation fasziniert: In der typischen Lage auf einem Hügelrücken oberhalb von Dorfkern und Talboden hatte man vor 90 Jahren hier – im ehemaligen Kurhaus «Alpenblick» – das erste Taubstummenheim eingerichtet. Mit dem Ausbau zur heutigen Institution für Hörbehinderte wich die alte Kureinrichtung jüngeren Wohnhäusern, Wirtschaftstrakten und Werkstätten. Das lose Ensemble um einen grünen Innenhof orientierte sich nicht mehr zur umgebenden Landschaft. Der Idee, mit einem Restaurant auch externe Besucher willkommen zu heissen, den Bewohnern geschützte Arbeitsplätze anzubieten und insoweit das auf-sich-bezogene Leben der Wohn- und Arbeitsgemeinschaft der Aussenwelt zu öffnen, liegt zunächst ein Umdenken auf institutioneller Ebene zugrunde. Als Architekten durften wir mit dem Neubau diesem Schritt eine sichtbare Fassung geben: indem die Binnenwelt oben auf der Anhöhe in Beziehung tritt mit ihrer Umgebung, und damit die etwas vergessene Schönheit dieses Ortes wieder erlebbar wird.
Blick aus dem Gastraum durch die Loggia mit Eiger, Mönch und Jungfrau im Hintergrund
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?
Wir suchten eine Sprache, die zum einen der ländlich geprägten Nachbarschaft gerecht wird, die sich andererseits aber von den umgebenden Nutzbauten als einladendes, öffentliches Haus erkennbar absetzt. Neben den hölzernen Wintergärten und verglasten Veranden der alten Grandhotellerie haben uns Bilder begleitet von Orangerien, Gartensälen, Festzelten und ähnlich mondän gestimmten Kleinarchitekturen im Ensemble alter Landsitze. Die silbrig lasierten Holzlatten der Fassade, die spitzen Gebäudeecken und der fehlende Dachüberstand bemühen einen textilen Ausdruck. Auch die geschosshohen Ausschnitte der Gebäudehülle, deren Schaufensterflächen und die einknickende Glasfassade der grossen Loggia sollen die Wahrnehmung als «Haus» zurücknehmen, und stattdessen eine kleine Halle oder ein grosses Zelt andeuten.
Blick von der Zufahrt her auf Loggia und Eingang ins Restaurant (links)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?
Dass sich die Stiftung mit dem neuen Restaurant ein weithin wirkendes «Aushängeschild» im Arealzugang errichten würde, durfte den bestehenden Betrieb nirgendwo tangieren. Wir konnten auch die allernächste Umgebung des Pavillons nicht neu ordnen oder umgestalten. Wichtig war uns darum, mit dem Gastraum eine geschützte Atmosphäre zu schaffen, aus der heraus die Landschaft als gefasstes Bild wahrgenommen werden kann. Der Gast erlebt im Anstieg der Topographie den Neubau als überdachtes Plateau. Die seitliche Ausdrehung der Gebäudeachse nach Südosten bezeichnet die Hauptblickrichtung. Der erhöhte Standpunkt, das ausgreifende Dachzelt und die geschlossenen Seitenwände rahmen den Blick in die Ferne und blenden Teile der unmittelbaren Nachbarschaft aus.
Blick aus dem Eingangsfoyer in den Gastraum
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?
Die verzogene Geometrie des Pavillons vermeidet parallele Wand- und Deckenflächen. Sie unterdrückt damit vor allem die für sensible Hörgeräte kritischen Flatterechos. Neben dieser akustischen Eigenschaft gliedert die Figur der vor- und zurückspringenden Aussenhülle den Gastraum in eine Abfolge separater Bereiche, die sich rings um den inneren Kern der Küche legt. Die tief eingeschnittene Südterrasse unterteilt den Hauptraum soweit, dass reguläre Gastwirtschaft und kleinere Gesellschaften parallel stattfinden können: Mit ihren Bankettangeboten hat die Stiftung bereits vor einigen Jahren einen sehr erfolgreichen Betriebszweig etablieren können.
Die Küche bezieht einen wesentlichen Teil ihrer Zutaten aus der betriebseigenen Gärtnerei, die sich mit ihren Lagerflächen im zur Talseite offenen Sockel unter den neuen Pavillon schiebt. Von oben gesehen zeichnet sich der innere Küchenkern als Terrasse im Dachzelt ab. Er dient der betreuten Wohngruppe in der ersten Etage des Haupthauses als Austritt. Die Höhe der umlaufenden Firstkante formt einen kleinen Innenhof, der die Berge nicht ausblendet, aber seine Bewohner vor den Blicken der nächsten Umgebung schützt.
Der betonierte Kern im Gebäudeinnern (Küche, Kellertreppe, WC)
Licht, Farben und Materialien müssen im Innenraum den funktionalen Anforderungen hörbehinderter Besucher gerecht werden: Neben der Akustik ist eine jederzeit durchgehende Helligkeit zur guten Lesbarkeit von Gestik und Mimik essentiell. Wir haben alle Farben «ausgeblendet» und die Materialität der Oberflächen unterschieden. Der soweit zurück genommene Gastraum kontrastiert die bisweilen grelle Buntheit der Landschaft wie die unterschiedlichen Dekorationen seiner Anlässe. Mit dem hellen Gelb haben Bewohner der Stiftung die alten Stühle eingefärbt, nachdem diese in den eigenen Werkstätten hergerichtet werden konnten. Auch die Tische sind entworfen und angefertigt von den Menschen vor Ort.
Frontalansicht über die Gärtnerei hinweg gesehen
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?
In der heterogenen Primärstruktur folgt die Wahl der Teile einer Idee von «leichtem Zelt» auf «massivem Sockel»: Geneigtes Dach und Aussenfassade liegen als vorgefertigter Holzmontagebau auf betoniertem Küchenkern und Sockelplatte auf. Die in die Hauptblickrichtung nach Süden hinab gezogene Dachfläche endet als stützenfrei gespannte, horizontale Traufkante. Sie liegt auf der raumhohen Glaswand zur Loggia auf, die dazu innenseitig mit Stahlstützen und -trägern gehalten wird. Die hölzerne Auskleidung der Gebäudehülle fängt im Gastraum die zwangsläufig divergierenden Geometrien von Dachgrat und Deckenkehle mit einem weiss gestrichenen Lattenrost auf. Der verbleibende Hohlraum zwischen den Untersichten von Holzmontagebau und abgehängter Decke ist wesentlich für die gute Akustik.
Situationsplan mit der dunkel hervorgehobenen Dachaufsicht des neuen Anbaus
Grundriss der Hauptebene auf dem Niveau von Innenhof und Erdgeschoss Bestand
Querschnitt durch Gastraum und Küche im Zentrum
Schnittperspektive in der Längsachse Neubau durch Küche, Gastraum und Loggia
Neubau Restaurant «Alpenblick» Stiftung Uetendorfberg
2013
Uetendorf BE
Auftragsart
1. Preis öffentlich ausgeschriebener Architekturwettbewerb, 2010
Bauherrschaft
Stiftung Uetendorfberg – Schweiz. Wohn- und Arbeitsgemeinschaft für Hörbehinderte, Uetendorf
Architektur
Büning-Pfaue Kartmann Architekten, Basel
Kord Büning-Pfaue, Astrid Kartmann mit Ulrich Schindler (Bauleitung), Richard Kartmann (Wettbewerb), Matej Draslar (CAD)
Fachplaner
Tragstruktur: Adrian Tschopp, Bern
Haustechnik: Ingenieurbüro IEM, Thun / Bern
Bauphysik: Grolimund und Partner, Bern
Bauleitung
Ulrich Schindler Architekt HTL / STV, Bern
Gesamtkosten
CHF 2.1 Mio. (nur Neubau Restaurant)
Gebäudekosten
CHF 1.6 Mio. (nur Neubau Restaurant)
Gebäudevolumen
1'542 m3 (nur Neubau Restaurant)
Energiestandard
Minergie (nur Neubau Restaurant)
Massgeblich beteiligte Unternehmer
Baumeister: Messerli Bauteam AG, Steffisburg
Montagebau in Holz: Stuber & Cie AG, Schüpfen
Verkleidungen: Gfeller Holzbau, Worb
Fenster: Schreinerei Isel, Biembach i.E.
Spenglerarbeiten: Jost Spenglerei, Bern
Schlosserarbeiten: Roger Thierstein, Steffisburg
Schreinerarbeiten: Schreinerei Mock, Wattenwil
Küche: Schmocker, Interlaken
Fotos
Ruedi Walti, Basel